Krieg & Frieden
Historisches Drama
Wie sagten einst zwei boxende Brüder mit Doktortiteln in einer Reklame? „Tolstoi... schwere Kost.“Das ist sicherlich wahr. Nun kann eine Serie niemals den Roman ersetzen, besonders im Falle von „Krieg und Frieden“, das als großes Werk der Weltliteratur gilt. Trotz allem hat es einen unschätzbaren Wert, sich große Literatur zu erarbeiten. Wer aber eine Verfilmung als eigenständiges Werk betrachten kann, wird vielleicht Freude an der neuen BBC Mini-serie „Krieg & Frieden“in acht Episoden haben. Das Tv-drama legt die Messlatte für diese Art von Produktion nämlich ziemlich hoch. Die Geschichte beginnt bekanntlich 1805. Napoleon steht sozusagen vor der Tür, rückt immer näher an die russische Grenze vor. Der junge Pierre (Paul Dano) ist der uneheliche Sohn des Grafen Bezukhov. Dieser hat seinen Sprößling in Paris erziehen lassen, will ihn aber vor seinem Tod noch einmal sehen. Wider Erwarten kommt Pierre so an ein ansehnliches Vermögen. Sein Freund Andrei Bolkonsky (James Norton) hingegen möchte in den Krieg ziehen. Er ist von seiner schwangeren Frau genervt und auch vom höfischen Klatsch, also bringt er sie bei seinem herrischen Vater und seiner liebevollen, sehr religiösen Schwester Marya (Jessie Buckley) unter. Dann gibt es noch das junge Mädchen, das auf sie beide schweren Eindruck machen wird: Die schöne Natasha Rostova (Lily James). Der Zuschauer folgt ihnen, und einer Vielzahl von weiteren Charakteren, über den Lauf von sieben Jahren, während der Krieg immer im Hintergrund präsent ist.
Große Rollen, große Besetzung
Im Vordergrund stehen die Lebenswege und die Entwicklung der jungen Figuren, denen große Veränderungen bevorstehen. Es sind vielschichtige Rollen, die irgendwie nie ganz aus ihrer Haut können. Sie können ihrer Natur nicht entkommen, aber sie tun ihr Bestes als Menschen. Besonders Paul Dano und Lily James sind eine großartige Besetzung. Während Dano seinen Pierre bis kurz vor Schluß wie einen großen verlorenen Jungen wirken lässt, wächst Lily James’ Rolle von einer Art verzückenden, kindlichen Elfe im Teenager-alter zu einer bodenständigen und willensstarken jungen Frau heran. Jessie Buckley spielt ihre Marya mit einer demütigen Haltung, deren Gesicht doch alles widerspiegelt. „Akte X“-star Gillian Anderson, die wir sonst als Frau der Wissenschaft kennen, spielt gekonnt die oberflächliche Aristokratin Anna Pavlovna. Tuppence Middleton ist glaubwürdig als Pierres lieblose und intrigante Frau Helene, und es gibt ein Wiedersehen mit Tom Burke (Athos aus „Die Musketiere“). Dann wären da noch die typischen Charakterdarsteller wie Jim Broadbent (Professor Slughorn aus den „Harry Potter“-filmen). Die ruhige, aber mitreißende Entwicklung der Geschichte ist so packend wie bei einem BBC-KLASsiker, der besonders treue Fans hat: Die Jane Austen-serie „Stolz und Vorurteil“von 1995. Das ist kein Zufall, denn Autor Andrew Davies hat für beide Serien das Drehbuch geschrieben. Die schauspielerischen Leistungen allein machen „Krieg & Frieden“aber noch nicht zum großen Heimkino. Es ist die Art, wie aus einer kleinen Berührung Magie wird, und wie man Momente mit den Charakteren teilt, bei denen man merkt dass sie so wohl nie wieder kommen. Das alles ist wunderschön gefilmt, wie Gemälde und vor beeindruckenden Kulissen mit herrlichen Kostümen – eine richtig poetische Bildsprache. Die Musik ist dramatisch und emotional, aber nicht kitschig und die immer wiederkehrenden Themen treiben die Handlung voran. Das Bonusmaterial ist interessant gemacht, aber leider etwas kurz, dafür liegen der Blu-ray schön gestaltete Postkarten bei. Unterm Strich: Spätestens nach dieser Serie möchte man eigentlich das Buch lesen, wenn man es noch nicht getan hat.