Xbox Scorpio: 4K-hdr-gaming in einer neuen Dimension
Microsoft präsentiert bereits vor der offiziellen E3-enthüllung im Sommer die finalen technischen Daten der neuen 4K-gaming-konsole und liefert zugleich einen vagen Ausblick auf die Zukunft der Games-sparte.
Es ist eine Kehrtwende um 180 Grad: Mit der Xbox One stellte Microsoft Multimedia-entertainment-, Sprachsteuerungs- und Kinect-kamerafunktionen in den Vordergrund, nun sollen mit Xbox Scorpio wieder die Spiele, Spieler und Games-entwickler in den Mittelpunkt rücken. Bereits im Ankündigungsvideo zur neuen 4K-hdr-konsole fand Microsoft überraschend deutliche Worte: Die Ausrichtung der ersten Xbox One war ein Fehler, viele Spieleentwickler schwören seitdem Sonys PS4 die Treue. Mit Scorpio (finaler Name wird erst im Juni enthüllt) will Microsoft alle Fehler der Vergangenheit korrigieren, die leistungsstärkste Spielekonsole aller Zeiten veröffentlichen und Entwicklern jeden erdenklichen Support zukommen lassen, um den Abstand zu Sonys PS4 zu verkürzen.
Xbox is back
Die Architektur der Xbox Scorpio weckt Erinnerungen an die Xbox 360: Das System ist derart gut ausbalanciert, dass Grafikdaten umgemein effizient durch die komplette Pipeline bis zur Bildausgabe transferiert werden können. Geht es also allein um technische Leistungsfähigkeit, hat Microsoft (fast) alle Hausaufgaben gemacht: Die Xbox Scorpio bietet mit 6 Teraflops Grafikleistung im Idealfall 40 Prozent mehr Leistung als Sonys PS4 Pro, um echte 4K-auflösung bei bis zu 60 Bildern pro Sekunde zu berechnen. Um weitere Flaschenhälse von vornherein auszuschließen, spendiert Microsoft der Xbox Scorpio 50 Prozent mehr Arbeitsspeicher (12 GB DDR5-RAM), von denen 8 GB für Spieleentwickler nutzbar sind, 4 GB entfallen auf die Hintergrundtätigkeiten des Betriebssystems. Auch die Geschwindigkeit, mit der Daten
übertragen werden, verbessert sich um knapp 50 Prozent im Vergleich zur PS4 Pro, sodass Ladezeiten verkürzt und Texturen in besserer Qualität angezeigt werden können. Während mit Sonys PS4 Pro häufig die gleiche Detailqualität wie bei einer Standard-ps4 anzeigt und diese lediglich in 4K-auflösung präsentiert wird, soll Scorpio ähnlich wie Hochleistungs-pcs in der Lage sein, ultrahochauflösende Texturen zu verarbeiten. Diese könnten über einen Patch für die jeweiligen Spiele im Nachgang bereitgestellt werden. Microsoft verspricht, dass alle Spiele für Xbox One und die meisten Games für Xbox 360 mit Scorpio in 4K-auflösung laufen, viele Spiele werden zugleich eine stabilere Bildrate und weniger Artefakte aufweisen. Einzig beim verbauten Prozessor zeigt sich, dass Scorpio wie bereits die PS4 Pro keine neue Konsolengeneration darstellt: Zwar taktet Microsoft den bewährten Amd-8-kern-chip noch schneller als Sony bei der PS4 Pro, aber mit den leistungsstärksten PC-CPUS kann auch Scorpio nicht mithalten. Um Bildruckler bei der Darstellung zu vermeiden, setzt Microsoft auf ein variables Bildtiming und Fernseher nach HDMI-2.1-VRR-STANDARD sollen jederzeit eine flüssige Wiedergabe sicherstellen, selbst wenn weniger als 60 Bilder pro Sekunde berechnet werden. Zum aktuellen Zeitpunkt kann leider noch kein Tv-hersteller die Unterstützung dieser Funktion bestätigen.
Der Fluch der Vergangenheit
Microsofts erste Xbox One wurde zwar durch das erfolgreiche S-modell ersetzt und mit Scorpio plant Microsoft einen Neuanfang für die Xbox-sparte, doch Spieleentwickler programmieren weiterhin auch für die erste Xbox-one-version. Ähnlich wie bei Sonys PS4 müssen Xbox-one-spiele auf allen Xbox-one-spielekonsolen lauffähig sein, was die technische Weiterentwicklung ausbremst. Während Xbox One S und Xbox Scorpio beispielsweise 100-Gb-discs verarbeiten und zur UHD Blu-ray kompatibel sind, bietet die erste Xbox-one-version nur ein Standard-blu-ray-laufwerk. Gerade im 4K-zeitalter wären 100-Gb-discs notwendig, um 4K-textur- und 4K-videoqualität auch in aufwändigen Aaa-games sicherzustellen. Stattdessen werden Scorpio-nutzer vermehrt auf nachträgliche Downloads angewiesen sein, um die beste Bildqualität zu erreichen. Einen Vorgeschmack lieferte die Pc-fassung von „Quantum Break“, bei der 4K-videosequenzen als InternetVideostream angeboten wurden.
Wo bleiben die Spiele?
Durch die erfolgreiche Markteinführung von Nintendos portabler Spielkonsole Switch klafft im Videospielsektor ein riesiger Leistungsunterschied zwischen den verschiedenen Systemen, was es nahezu unmöglich macht, ein aufwändiges Spiel für alle Plattformen gleichzeitig zu entwickeln. Microsofts Vorzeigepartner wie Electronic Arts und Ubisoft patzen in letzter Zeit reihenweise, Spielemarken wie „ Assassin‘s Creed“oder „Mass Effect“werden unfertig auf den Markt gebracht und haben mit technischen Fehlern zu kämpfen. Auch Microsoft war in den letzten Monaten nicht in der Lage, das Vertrauen der Spieler zurückzugewinnen: Seit Jahren in Entwicklung befindliche Exklusivspiele wurden komplett eingestellt und Prestigemarken wie „Halo“oder „Gears Of War“sind nur noch ein Schatten der Xbox-360-vorgänger. Gleichzeitig beweisen sowohl Nintendo als auch Sony, dass Technik allein keinen Spielspaß garantiert: Die aktuell am besten bewerteten Spiele 2017 wie „Zelda: Breath Of The Wild“und „Persona 5“erscheinen nicht für Xbox und punkten durch Spielwitz und intensiv gestaltete Spielwelten statt 4K-grafik. Wenn Microsoft mit Scorpio nicht nur Zahlenversteher vom Kauf überzeugen, sondern auch die Herzen von Gamern erobern will, muss man bis zur Markteinführung im Winter noch eine Menge Überzeugungsarbeit leisten und bereits auf der E3 im Sommer mit ausreichend exklusiven Spielen punkten, die eine Investition in Scorpio rechtfertigen. Gelingt Microsoft dieser Balanceakt nicht, dürfte Scorpio lediglich für bestehende Xbox-besitzer interessant werden, die sämtliche Xbox-inhalte in bestmöglicher Grafik darstellen wollen. Sonys Antwort dürfte nicht mehr lange auf sich warten lassen: Bereits 2018 könnte Sony die PS5 ankündigen, die 12 bis 24 Monate nach der Xbox Box Scorpio auf den Markt kommen dürfte und den Titel „leistungsstärkste Spielekonsole“wieder zurück ins Sony-lager holt. Ob Videospieler bereit sind, den immer kürzeren Hardware-update-zyklen zu folgen, muss sich erst noch zeigen. Im Sony-heimatland Japan liegen Nintendos Switch und Sonys Basis-ps4-version in den Verkaufszahlen weit vor der leistungsstärkeren PS4 Pro – 4K-grafik ist also auch im Technikland Japan keine Garantie für einen Verkaufserfolg.
„Mit Scorpio will Microsoft alle Fehler der Vergangenheit korrigieren.“