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T2 Trainspott­ing

1996 schuf Regisseur Danny Boyle mit „Trainspott­ing“zweifellos einen Klassiker des modernen Drogenfilm­s. Der abgedrehte Humor, die beißende Sozialkrit­ik und der offensive visuelle Stil trafen den damaligen Zeitgeist. Kann das Sequel „T2 Trainspott­ing“der

- FELIX RITTER

Danny Boyles Fortsetzun­g des Kultfilms knüpft nahtlos an das Geschehen des ersten Teils an, nur eben 20 Jahre später. Wer also den originalen „Trainspott­ing“-film noch nicht gesehen hat, sollte dies zuerst einmal nachholen. So steht Mark Renton (Ewan Mcgregor) zu Beginn von „T2“nach ganzen 20 Jahren zum ersten mal wieder in seiner Heimatstad­t Edinburgh. Bei seinen alten Freunden hat sich auf den ersten Blick nicht viel verändert. Spud (Ewen Bremner) ist immer noch ein Junkie. Simon alias Sick Boy (Jonny Lee Miller) hält sich mit krummen Geschäften über Wasser, hauptsächl­ich Erpressung. Und Begbie (Robert Carlyle), wen könnte es wundern, sitzt seit Jahren im Knast. Doch auch Renton kehrt nicht aus reiner Wiedersehe­nsfreude zurück. Sein bürgerlich­es Leben, das er sich über die letzten Jahre aufgebaut hatte, ist zusammenge­brochen, Ehe und Karriere gescheiter­t. Nun muss er den Leuten gegenüber treten, die er vor 20 Jahren um 16 000 Pfund abgezockt hat. Mit Spud sind die Wogen schnell geglättet. Renton rettet ihn gleich anfangs gerade noch so vor einem Selbstmord. Mit Simon hat er es nicht so leicht. Nach einer deftigen Begrüßungs­prügelei scheint sich aber auch hier der Groll langsam zu legen. Es werden sogar neue Pläne geschmiede­t. Simon und Renton wollen gemeinsam mit ihrer bulgarisch­en Komplizin Veronika (Anjela Medyalkova) ein Bordell eröffnen und müssen nur noch das Startkapit­al auftreiben. Allerdings rechnet keiner mit Franco. Der ist gerade aus dem Knast ausge- brochen und als er erfährt, dass Renton wieder da ist, wünscht er sich nichts sehnlicher, als ihm für seinen Verrat das Licht auszuknips­en.

Ein großes Revival

Es ist wie ein Klassentre­ffen. Danny Boyle hat alle wieder zusammenge­trommelt. Sogar kleine Nebenrolle­n wurden mit alten Bekannten besetzt. Der Situations- und Dialoghumo­r erinnert sehr an den ersten Teil und ist stellenwei­se ebenso ranzig und durchgekna­llt. Auch für „T2“sollte man also nicht gerade zart besaitet sein. Die Charaktere haben sich in ihrem Wesen kaum verändert. Zudem wird in vielen Szenen über die Ereignisse von früher geredet und reflektier­t, oft auch mit kleineren Rückblende­n und Originalfi­lmmaterial von ’96. „T2“schafft es absolut naht- und mühelos, an das Gefühl des Vorgängers anzuknüpfe­n. Die Rückblende­n sind stets pointiert eingesetzt und weben sich organisch in die Handlung ein. Aber es werden auch neue Schwerpunk­te gesetzt. So wie die Charaktere, die mittlerwei­le alle in ihren 40ern sind, von ihrem Alter und der Last ihrer Erinnerun-

gen eingeholt werden, so schlägt auch der Film vermehrt ruhige und melancholi­sche Töne an. Jeder der Protagonis­ten scheint auf der Strecke geblieben und ohne Orientieru­ng. Hier offenbart sich auch der auffälligs­te Schwachpun­kt. Im Prinzip ist es eine einzige, große Rückbesinn­ung mit alten Bekannten und Konflikten. Die jugendlich­e Dynamik, der aktuelle Zeitbezug und die daran anknüpfend­e Sozialkrit­ik des Vorgängers fehlen.

A Perfect Day

Visuell und akustisch gibt sich Boyle dagegen keine Blöße. Die facettenre­iche Kameraführ­ung und die schnellen, fließenden Schnitte können die dramaturgi­schen Schwächen gut kaschieren. Die bunten, intensiv leuchtende­n Neonfarben bilden einen stimmungsv­ollen Kontrast zur mattgrauen Alltagstri­stesse des düsteren Edinburgh. Dichte, grün schimmernd­e Wiesen unter einer dunkelgrau­en Wolkendeck­e oder kalte Blautöne in einer klinisch beleuchtet­en Clubtoilet­te, immer wieder werden durch Farb- und Lichtkompo­sitionen eindrucksv­olle Bilder und Stimmungen geschaffen. Auch der Soundtrack ist wieder sehr stilsicher und versprüht zumeist pure Nostalgie. Lou Reeds „Perfect Day“, Iggy Pops „Lust For Life“und besonders die Eingangsme­lodie von Underworld­s „Born Slippy“wird immer wieder auf nahezu rührende Weise zu den kontemplat­iven Momenten des Films eingesetzt. Technisch sind Bild und Ton solide. Die härteren Kontraste passen gut zum kontrastre­ichen, ästhetisch­en Stil. Nur der Detailgrad könnte zuweilen ein wenig höher sein. Die Dynamik im Sound ist von der Lautstärke her etwas flatterhaf­t, sorgt dadurch aber auch für ein paar spannende Schockmome­nte. Der Raumsound kommt besonders beim häufigen Musikeinsa­tz gut zur Geltung, auch wenn die Signalortu­ng dezent bleibt. „T2 Trainspott­ing“ist einer der wenigen guten Drogenfilm­e, die eine Fortsetzun­g bekommen haben. Den Kultstatus des Originals kann das Sequel nicht reproduzie­ren. Trotzdem kann man in vielen Szenen die alten Qualitäten und ebenso eine gelungene, stille Melancholi­e entdecken. Es ist ein bisschen wie das Abschiedsk­onzert der gealterten Lieblings- band aus der Jugend. Die Mitglieder sind mittlerwei­le alle etwas ausgebrann­t und die Energie ist nicht mehr dieselbe wie früher, aber die Musik ist zweifellos immer noch klasse.

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 ??  ?? Der Kopf hinter dem Exzess ist Kultautor Irvine Welsh, hier als Mikey Forrester. Für seine Bücher sollte man im Original schottisch­es Englisch lesen können Simon (Jonny Lee Miller) und Renton (Ewan Mcgregor) wissen, wie man einen tollen neuen Plan umsetzt, nämlich breit
Der Kopf hinter dem Exzess ist Kultautor Irvine Welsh, hier als Mikey Forrester. Für seine Bücher sollte man im Original schottisch­es Englisch lesen können Simon (Jonny Lee Miller) und Renton (Ewan Mcgregor) wissen, wie man einen tollen neuen Plan umsetzt, nämlich breit

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