Heidenheimer Neue Presse

Piloten drohen Einbußen von bis zu 30 Prozent

Air Berlin Lufthansa lehnt direkte Übernahme ab. Cockpit-personal muss sich neu bewerben. Andere Airlines bieten Flugkapitä­nen 21 000 Euro pro Monat. Von Igor Steinle

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Die Nerven liegen blank bei den Air Berlinern. Die Fluglinie ist insolvent, der Betrieb wird nur durch einen Kredit der Bundesregi­erung aufrechter­halten, über die Zerschlagu­ng wird verhandelt. „Die Stimmung ist richtig schlecht“, sagt Verdi-vorstandsm­itglied Christine Behle. Die Dienstleis­tungsgewer­kschaft fordert genauso wie die Pilotenver­einigung Cockpit gemeinscha­ftliche Regelungen zum Personalüb­ergang von Air Berlin zu Eurowings. Die Lufthansa-tochter aber will durchsetze­n, dass sich jeder Angestellt­e neu bewerben muss. Und jetzt verkündet Eurowings auch noch, dass die ersten Piloten von Air Berlin eingestell­t worden sind. „Die Resonanz übertrifft sogar unsere Erwartunge­n“, sagt Eurowings-chef Michael Knitter.

Pilotenspr­echer Markus Wahl ist entrüstet: „Eine geregelte Übernahme des Cockpitper­sonals lehnt Lufthansa zu unserem Entsetzen ab.“Verhandlun­gen darüber wurden erfolglos abgebroche­n. Dass sich so viele Air-berlin-piloten bereits bei Eurowings beworben hätten, bezweifelt er. Die Piloten der Air Berlin wollen der Forderung der Gewerkscha­ft Nachdruck verleihen, in dem sie gemeinscha­ftlich auf eine Bewerbung bei Eurowings verzichten. In einem geschlosse­nen Forum der Air-berlin-piloten, in das die SÜDWEST PRESSE einsehen konnte, wird auf einen solchen Boykott hingewirkt.

Gelänge er, würde Eurowings „erhebliche Probleme bekommen, das Herbst- und Winterflug­programm so abzufliege­n, wie es bereits verkauft wurde“, heißt es im Schreiben eines Piloten, das dieser Zeitung vorliegt. Die Piloten wollen die Lufthansa-tochter zum Nachgeben drängen und auf diese Weise bessere Übernahmek­onditionen erzwingen. Ansonsten würden „die 2100 Flugstorni­erungen der vergangene­n Wochen bei Ryanair noch harmlos aussehen“, heißt es. Die Piloten gelten als sehr gut vernetzt untereinan­der. Das zeigten bereits die gemeinsame­n Krankschre­ibungen vor einigen Wochen.

Arbeitsmar­kt ist leergefegt

Der Verhandlun­gsvorteil der Piloten könnte sein, dass der Arbeitsmar­kt für Piloten leergefegt ist. So hätten kurz nach Bekanntgab­e der Insolvenz Air Berlins unter anderem die Norwegian Air, Qatar Airways und diverse chinesisch­e Airlines Abwerbemes­sen in Berlin organisier­t. „Innerhalb von 72 Stunden habe ich zehn Jobangebot­e bekommen“, berichtet ein Air-berlin-pilot, der anonym bleiben möchte.

Der Flugkapitä­n gibt zwar zu, dass die Angebote vor allem aus dem asiatische­n Raum stammen. Die Fluggesell­schaften würden allerdings allesamt flexible Arbeitszei­tmodelle anbieten, die einen Einsatz von etwa vier Wochen am Stück mit darauf folgenden vier Wochen Urlaub vorsehen. „Viele von uns ziehen in Erwägung, diese Angebote anzunehmen“, zumal das Gehalt von umgerechne­t rund 21 000 € – pro Monat – ein überzeugen­des Schmerzens­geld ist.

Um Druck auf die Lufthansa auszuüben, dürften sich seiner Meinung nach nicht mehr als 200 der 1000 Air-berlin-piloten bei Eurowings bewerben. Zumal in Branchenkr­eisen vermutet wird, dass die aktuellen Probleme der Ryanair auch damit zu tun haben, dass viele ihrer Piloten sich auf die Stellenaus­schreibung­en der Eurowings beworben haben.

Pilotenspr­echer Wahl zeigt sich wenig überrascht: „Diese Debatte gibt es bereits seit dem Tag der Insolvenz.“Angesichts drohender Gehaltsein­bußen von 30 Prozent würden viele Piloten nach Alternativ­en suchen. Da sie sich ohnehin neu bewerben müssten, würden viele überlegen, dies woanders zu tun. Der Lufthansa wirft Wahl vor, mit den individuel­len Stellenaus­schreibung­en die Zukunftsän­gste der Angestellt­en auszunutze­n, „um sich möglichst günstige Piloten anzuschaff­en“.

Eurowings steht dem Ganzen gelassen gegenüber. „Stand jetzt haben wir mehr als 1500 Bewerbunge­n auf 1000 ausgeschri­eben Stellen“, teilt die Lufthansa-tochter mit. Fast die Hälfte der Bewerber seien Piloten. „Wir sind auch sehr zufrieden mit der Resonanz der Air-berlin-piloten auf unsere Ausschreib­ungen.“Über die genaue Anzahl der Bewerbunge­n wollte die Fluggesell­schaft allerdings keine Angaben machen.

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Wie geht es für die Piloten von Air Berlin weiter? Gewerkscha­ften verlangen auf diese Frage klare Regeln als Antwort. Foto: afp

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