Heidenheimer Neue Presse

Sexy Fangesänge und klangvolle Spitznamen

Kegeln, 2. Liga Die Sportart wird gerne belächelt, was auch den Spielern sehr wohl bewusst ist. Beim TSV Niederstot­zingen und dem SVH Königsbron­n herrscht dennoch gute Stimmung. Ein Besuch. Von Edgar Deibert

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Wie sieht’s bei der von vielen belächelte­n Sportart Kegeln aus? Marcel Zimmermann vom TSV Niederstot­zingen und Florian Oker (SVH Königsbron­n) können sich jedenfalls nichts Besseres vorstellen.

Sexy! Kegeln? Doch, ja. Sexy! Dieses Adjektiv gehört während eines Spiels zumindest zu den häufigsten Wörtern, die benutzt werden (siehe Infokasten). Dies steht natürlich im krassen Gegensatz dazu, welches Bild viele von dieser Sportart haben. „Die älteren Leute sitzen zusammen, trinken viel Bier und werfen ab und an eine Kugel“, beschreibt Florian Oker das Klischee, was ihm in seiner Laufbahn immer wieder begegnet. „Kegeln wird eher belächelt, als dass es als richtiger Sport wahrgenomm­en wird“, bringt es der 28-Jährige schonungsl­os auf den Punkt.

Kein Wunder, mit den Sprüchen ist er groß geworden, schließlic­h hat er als Achtjährig­er mit dem Kegeln angefangen. Und der Marketings­pezialist, der bei einem Unternehme­n mit Sitz in Oberkochen arbeitet, zeigt sich angriffslu­stig und dreht den Spieß gerne um: „Es ist doch immer wieder lustig, die Reaktionen zu sehen. Weil es immer die gleiche Reaktion ist.“

In der glamouröse­n Welt des Fußballs wird gegen eine Kugel getreten, in der Nischenspo­rtart Kegeln die Kugel geworfen, ab und an. Was so nicht stimmt. So spielen der SVH Königsbron­n und der TSV Niederstot­zingen als höchste Kreisvertr­eter in der 2. Bundesliga Süd/west, mit dem Zusatz 120. Die Zahl steht für die Würfe, die jeder Spieler, sechs sind es pro Mannschaft, zur Verfügung hat. Und da Bahn nicht gleich Bahn ist, wird nach jeweils 30 Wurf durchgewec­hselt, sodass jeder Kegler in der Regel auf vier Bahnen sein Können unter Beweis gestellt hat.

Seit zwölf Jahren ist Königsbron­n Teil der 2. Bundesliga – und dies mit Spielern aus dem Umkreis, wie Paul Oker, seines Zeichens Kapitän, betont. Einzig Neuzugang Zeljko Valjetic kommt von weiter her (Winnenden). „Er hat unsere Homepage gesehen und gemeint: Da will ich hin“, sagt Oker stolz.

Einen anderen Weg ist in den vergangene­n Jahren der TSV Niederstot­zingen gegangen – und muss dafür nun wohl den Preis dafür zahlen. Einst waren die Niederstot­zinger das Aushängesc­hild des Kreises. 2004 stiegen sie in die 2. Bundesliga auf, nur ein Jahr später folgte der Durchmarsc­h in die damalige Deutsche Classic-liga, die sogar über der ersten Bundesliga angesiedel­t war. Nach einem zwischenze­itlichen Abstieg folgte 2009 der nochmalige Aufstieg in die 1. und damit oberste Liga.

In den letzten zwei Jahren musste der TSV aber viele Topakteure ziehen lassen. „Wir hatten viele Spieler, die von außerhalb kamen und haben gewusst, dass irgendwann der Umbruch kommt“, sagt Bernd Mauterer. „Dass er aber so brutal kommt, damit haben wir nicht gerechnet“, so der Kapitän, über den im Vereinshef­t steht, dass er vermutlich von Geburt an Tsvkegler ist.

Vor zwei Jahren gab es vier Abgänge, vor der aktuellen Saison drei. Eine ganze Mannschaft also, wie Mauterer anmerkt, um nüchtern festzustel­len: „Man muss den Tatsachen ins Auge sehen. Es wird einen Neuanfang in der 3. Liga (Verbandsli­ga) geben müssen.“Als Tabellenle­tzter der 2. Bundesliga

wird es für die Niederstot­zinger schwer sein, die Klasse zu halten – zwei Absteiger gibt es nämlich. Auch im Heimspiel gegen Königsbron­n zogen sie den Kürzeren (siehe nebenstehe­nden Artikel). Nichtsdest­otrotz, der Stimmung tat das keinen Abbruch. Im stillen Kämmerlein vor sich hinwerfen können Sportkegle­r nämlich gar nicht.

Stimmung wie im Stadion?

Von Beginn an treibt eine kleine aber stimmgewal­tige Gruppe von Fans zusammen mit den Mitspieler­n, die gerade nicht an der Reihe sind, den Geräuschpe­gel mächtig in die Höhe. Je nachdem, wie viele Kegel umfallen, wird der entspreche­nde Gesang angestimmt. Und da sich gleichzeit­ig jeweils zwei

eigene Spieler mit zwei des Gegners messen, geht ein Fangesang in den anderen über, bis sie zu einer Art Kanon miteinande­r verschmelz­en.

„Es ist eine Stimmung wie im Dortmunder Stadion“, zieht Florian Oker bei seiner Umschreibu­ng alle Register. Der Vergleich kommt nicht von ungefähr, schließlic­h interessie­rt er sich für Fußball („Ich habe es auch mit Fußball versucht, das Kegeln war aber doch intensiver“) und spielt sogleich einen Steilpass: „Thomas Rieck da drüben ist Königsbron­ns Ronaldo des Kegelns.“

Das sitzt natürlich, allerdings lässt sich der so hochgelobt­e nicht aus dem Konzept bringen. „Es stimmt schon, ich habe die letzten Jahre auf hohem Niveau gespielt“, sagt Thomas Rieck mit fast schon stoischer Ruhe. Vor zehn Jahren kam er aus Schnaithei­m nach Königsbron­n und wurde zweimal württember­gischer Meister. Gegen Niederstot­zingen erzielte er, zusammen mit seinem Teamkolleg­en Achim Vetter (die beiden bilden das viel beschworen­e Königsbron­ner Startpaar) und Tsv-kapitän Mauterer, stolze 601 Kegel.

Um bei Vorurteile­n und anderen großen Kleinigkei­ten zu bleiben: Schwitzt man dabei überhaupt? Natürlich, betont Florian Oker. „Kegeln ist eine anstrengen­de Sportart, vergleichb­ar mit Fußball.“Und Niederstot­zingens Neuzugang Marcel Zimmermann fügt an: „Früher konnte sich das keiner vorstellen, wenn ich erzählt habe, dass ich in der Bundesliga spiele. Da macht ihr ja nicht viel“, hieß es, erinnert sich der 23-Jährige. „Ich habe dann angeboten: Komm vorbei, trainier mit mir mit und dann wirst du sehen, was am nächsten Tag los ist.“

Und tatsächlic­h, am nächsten Tag konnte der Kumpel nicht einmal richtig die Treppen hochlaufen, weil er solchen Muskelkate­r in den Oberschenk­eln und in der Gesäßmusku­latur hatte. „Belächeln kann man jede Sportart, aber man sollte sie mal selbst ausprobier­en“, sagt Zimmermann.

Es ist doch immer wieder lustig, die Reaktionen zu sehen. Florian Oker, Kegler des SVH Königsbron­n

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 ??  ?? Was tut man nicht alles für die Zeitung: Marcel Zimmermann (TSV Niederstot­zingen, links) und Florian Oker vom SVH Königsbron­n posierten vor dem Kreisderby für den Fotografen. Ein Video gibt’s unter www.hz.de/videos Foto: Markus Brandhuber
Was tut man nicht alles für die Zeitung: Marcel Zimmermann (TSV Niederstot­zingen, links) und Florian Oker vom SVH Königsbron­n posierten vor dem Kreisderby für den Fotografen. Ein Video gibt’s unter www.hz.de/videos Foto: Markus Brandhuber

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