Die Rente im Zwischenhoch
Alterssicherung Ruheständler, Arbeitnehmer und Arbeitgeber profitieren von der guten Konjunktur. Trotzdem warnen die Rentenversicherer vor zusätzlichen Ausgaben. Von Dieter Keller
Die gute Konjunktur und die geburtenstarken Jahrgänge bescheren der gesetzlichen Rentenversicherung derzeit ein „Zwischenhoch“. Davon profitieren viele: Der Beitragssatz soll Anfang 2018 um 0,1 Prozentpunkte auf 18,6 Prozent sinken. Die Renten steigen am 1. Juli 2018 voraussichtlich um 3,09 Prozent im Westen und um 3,23 Prozent im Osten, so die neueste Schätzung des Bundesarbeitsministeriums.
Auch für die absehbare Zukunft rechnet der Vorstandsvorsitzende der Rentenversicherung Bund, Alexander Gunkel, mit einer positiven Entwicklung. Doch das Hoch wird nicht ewig andauern: „Diese erfreuliche Situation wird sich in ihr Gegenteil verkehren, wenn die stark besetzten Jahrgänge in Rente gehen und damit als Beitragszahler ausfallen und zu Leistungsempfängern werden“, warnte er in Würzburg vor zusätzlichen Ausgaben. Viele Reformen der letzten Legislaturperiode kosten erst in den nächsten Jahren Geld, etwa bei Renten wegen Erwerbsminderung oder der Anpassung der Ost-renten an das West-system.
Die über 21 Mio. Rentner dürften im nächsten Jahr echt mehr im Geldbeutel haben, obwohl die Inflation zuletzt auf 1,6 Prozent angestiegen ist. Die genauen Erhöhungssätze stehen allerdings erst im Frühjahr 2018 fest, sobald das Statistische Bundesamt sagen kann, wie stark die Löhne in diesem Jahr gestiegen sind. Die Rentner profitieren auch von der wachsenden Beschäftigung: Sie sorgt dafür, dass sich der „Nachhaltigkeitsfaktor“nicht negativ auswirkt, der die steigende Zahl der Rentner berücksichtigen soll. Das Rentenniveau von gut 48 Prozent bleibt daher konstant, und das dürfte bis etwa 2024 anhalten.
Bestätigt sich die Prognose, bekäme der „Standardrentner“ab Mitte 2018 im Westen wie im Osten 43,15 € zusätzlich pro Monat. Derzeit erhält ein Durchschnittsverdiener nach 45 Beitragsjahren im Westen 1396 € brutto im Monat, im Osten 1336 €. Davon gehen noch Kranken- und Pflegeversicherung sowie Einkommensteuer ab.
Auch in den kommenden Jahren könnten die Renten um jeweils etwa 3 Prozent steigen, erwartet Gunkel, wenn die Wirt- schaft weiter gut läuft. Längerfristig droht allerdings das Rentenniveau bis 2030 ohne Eingriffe auf 45 Prozent zu sinken.
Den Beitragszahlern winkt jetzt dagegen nur eine geringe Ersparnis: Ein Durchschnittsverdiener, der derzeit auf etwa 3100 € brutto im Monat kommt, zahlt 1,55 € weniger. Sein Arbeitgeber spart den gleichen Betrag. Diese Senkung muss laut Gesetz automatisch erfolgen, wenn die Rücklagen der Rentenversicherer zum Jahresende mehr als das 1,5-fache einer Monatsausgabe erreichen. Genau damit rechnen sie. Ende dieses Jahres dürften sie 32,9 Mrd. € auf der hohen Kante haben, etwas mehr als ein Jahr zuvor.
Der Beitragssatz von 18,6 Prozent kann voraussichtlich bis 2022 stabil bleiben. Im Jahr danach muss er nach der neuesten Schätzung auf 18,7 Prozent erhöht werden. 2030 könnte er 21,6 Prozent erreichen.
Mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen warnte Gunkel vor neuen Belastungen. So müsse eine weitere Erhöhung der Mütterrente, die insbesondere die CSU fordert, aus Steuermitteln finanziert werden und nicht mit Beiträgen. Denn dabei handle es sich um eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft und nicht nur der Beitragszahler. Sie würde 7 Mrd. € im Jahr kosten.
Ein weiteres heißes Eisen in den Koalitionsverhandlungen ist die Alterssicherung für Selbständige. Gerade wenn sie solo arbeiten, ist bei ihnen das Risiko von Altersarmut besonders groß, und dieses Problem droht angesichts der Sitten in der Internet-wirtschaft noch zuzunehmen. Gestritten wird hauptsächlich, ob sie in die gesetzliche Rente einzahlen sollen oder ob es ausreichen soll, eine private Altersvorsorge nachzuweisen.