Das haut echt rein
Sportarten selbst ausprobiert Boxen fordert wirklich den ganzen Körper. Das wurde Hz-volontär Patrick Vetter erst einen Tag, nachdem er sich mit den Boxern der TSG Giengen in den Ring wagte, bewusst.
Boxen selbst ausprobiert: o.k. oder k.o.?
Alles fängt mit Ruhe an. In dem alten Supermarkt an der Heidenheimer Straße in Giengen spürt der Besucher sie schon beim Eintreten. Trainer Vitali Urich begrüßt per Handschlag. „Klar, mach einfach mit, jeder ist hier willkommen. Bei uns ist alles kein Problem“, sagt der Mann mit russischen Akzent. Der Leiter der Giengener Boxabteilung nimmt sich Zeit zum Reden. Diese Ruhe ist beim Boxen auch nötig, um nicht bei jedem Schlag die Augen zuzukneifen und hektisch zu werden.
Das Training läuft schon, das Aufwärmen startet locker. Traben im Kreis. Doch der koordinative und konditionelle Aufwand steigt. Eine Gerade mit links, zweimal Ausweichen, links, rechts, Haken links, zweimal ausweichen. Dann alles von vorne und dabei weiter im Kreis laufen. Ein Gefühl, als ob sich Arme und Beine verknoten.
Füßetreten als Beinübung
Es wird anstrengender. Die schnellen Bewegungen werden langsamer, die Füße sind nicht mehr im Takt. Bleiben an den Hacken des Vordermanns hängen. Die Jüngsten, acht, neun Jahre alt, haben noch keine Probleme. Also weiter konzentrieren.
Die Muskeln sind warm, es geht los. Vitalij Lorenz, Trainer Nummer zwei, erklärt. „Haben alle die Übung verstanden?“„Ja“, entschlossen, wie aus einem Mund. Schnell wird klar: Abwechselndes Schlagen und Ausweichen ist nicht so einfach. In der Gruppe lässt sich das verstecken. Die nächste Übung ist einfacher: dem Partner auf die Schuhspitze treten. „Haben das alle verstanden?“„Ja!“Endlich ein kleiner Wettbewerb und eine Möglichkeit, sich wirklich mit anderen zu messen. Doch häufiger als die Fußspitzen treffen sich die Knie – schmerzhaft.
Wegducken, hoch, wegducken, hoch. Der Partner schwingt die ausgestreckten Arme auf Schulterhöhe durch die Luft. Wegducken, hoch, wegducken, hoch, minutenlang. Nur nicht getroffen werden. „Hände nach oben“, sagt Boxtrainer Vitalij Lorenz. „Aus den Knien und nicht aus dem Rücken ducken.“Die Schenkel brennen, noch fünf, vier, drei, zwei – die Faulheit siegt, der Rücken wird krumm.
Boxer lachen schwarz
Pause. Boxhandschuhe anziehen, Hände bandagieren, trinken. Kurze Ruhe auf der Bank, sehr kurze. Cosima, das einzige Mädchen im Raum, lacht über die Erschöpfung – mit schwarzem Lachen. Die Zähne verschwinden hinterm Mundschutz, den sich jetzt alle unter die Lippen schieben. Pause vorbei.
Training. „Die linke oder die schwache Hand ist dein Jab“, erklärt Übungspartner Viktor Urich. Ein Jab ist ein schneller, aber nicht besonders kräftiger Schlag mit der schwachen Seite. Jab, Schläge mit der Rechten, Jab, dazwischen wegducken, abwehren, der „Gegner“macht das Gleiche. Nach einigen Anläufen klappt es immer besser.
„Ziel auf den Kopf“
„Jetzt wirklich auf den Kopf zielen“, sagt Viktor. Er bekommt nur ein Lachen zurück. „Keine Sorge, ich bin dann schon weg.“Er behält recht. Glück für beide. Erstaunen, die Hände unten, das Gesicht ungeschützt, rote Handschuhe vor der Nase, Erschrecken, Augen zu, ungelenker Ausweichversuch. Knapp, nicht mal touchiert – Erleichterung. Übung für Übung macht Lorenz einmal vor. „Haben das alle verstanden?“Nein, zwei der Jüngsten haben nicht aufgepasst. Zehn Liegestütze. „Das ist keine Strafe, sondern Training für die Jungs. Alle kommen ja freiwillig und wir zwingen niemanden zu irgendetwas“, sagt Lorenz.
Nach etlichen weiteren Übungen Aufstellen in einer Reihe. „Runter in die Liegestütze.“Krafttraining, die Muskeln arbeiten auf Hochtouren. Alle machen mit, auch die Trainer. Bauchaufzüge, 30 Liegestütze und Kniebeugen.
Boxen bedeutet stinkende Hände
Heute kein Sparring, keine wettkampfnahen Übungskämpfe im Ring. „Die Jungs müssen beim ersten Training im Jahr erst mal wieder reinkommen“, erklärt Urich.
Boxhandschuhe aus. Die Finger kleben aneinander, befreit aus den Fäustlingen. Spreizen an der frischen Luft, die alles andere als frisch ist. Alter, kalter und frischer Schweiß steigt in die Nase, verbreitet sich von dutzenden Boxhandschuhen im Raum. Die echten Boxer, oft tätowiert, stört das längst nicht mehr.
Einschüchternd sehen viele aus, aber freundlich sind sie alle beim Boxclub. „Wie eine Familie“, sagen Urich und Lorenz. Jeder passt auf jeden auf, nimmt Rücksicht. Verletzungen gibt es im Training nie. „Hier werden alle gleich behandelt. Es gibt keine Mädchen oder Jungen, nur Sportler“, sagt Lorenz. „Nur Boxer“, berichtigt einer.
Ein Video über Box-anfänger und Hz-volontär Patrick Vetter gibt’s auf www.hz.de/videos