Idee des freien Busfahrens wird kritisch gesehen
Regierungsvorstoß Um Sanktionen der EU wegen Luftreinhaltung zu entgehen, hat man in Berlin kostenlosen Nahverkehr ins Gespräch gebracht. Vor Ort stößt die Idee auch auf Skepsis. Von Hendrik Rupp
Der Vorschlag der Bundesregierung, den öffentlichen Nahverkehr in Städten kostenlos anzubieten, stößt vor Ort nicht nur auf Begeisterung.
Luftschloss oder Trendwende im Nahverkehr? Seitdem bekannt wurde, dass die geschäftsführende Bundesregierung der EU kostenlosen Nahverkehr in Städten als Schritt zur Luftreinhaltung vorgeschlagen hat, wird die Idee diskutiert. Und das nicht nur in Großstädten: Zu den Modellkommunen, in denen man Gratis-busse testen will, gehört auch Herrenberg im Kreis Böblingen, das mit knapp über 30 000 Einwohnern deutlich kleiner ist als Heidenheim, aber ebenfalls aufgrund schlechter Messwerte eine Umweltzone einrichten musste.
Gratis-busse in Heidenheim – was würde das bedeuten? Bei der HVG will Betriebsleiter Ralf Kuschel nicht den Propheten spielen: „Ob ein kostenloser Nahverkehr realistisch ist, hängt ganz allein davon ab, wieviel Geld die öffentliche Hand auszugeben bereit ist.“Über Summen will Kuschel nicht reden, die HVG bewirbt sich gerade für den zuschussfreien Stadtverkehr ab August und will Konkurrenten keine Zahlen über ihre Kosten liefern. Klar ist für Kuschel aber eines: „Wenn der Busverkehr gratis wäre, würden die Kosten steigen.“
Der Staat sollte erst einmal seine Versprechen einhalten und Heidenheim mit einer ausgebauten Brenzbahn besser an Ulm anbinden.
Deutlich mehr Passagiere
Warum? „Es gab genügend Tests, die bewiesen, dass das Fahrgastaufkommen erheblich steigt, wenn die Busse gratis sind“, sagt Kuschel. Die Konsequenz: Entweder man benötigt deutlich mehr Busse und Verbindungen, um dem Andrang Herr zu werden – oder man schießt ein Eigentor. „In manchen Städten gingen diese Experimente schief, weil alles so überfüllt war, dass die Menschen nicht einmal gratis den Bus nehmen wollten.“Fazit: Wer einen Heidenheimer Gratis-stadtverkehr bezahlen wollte, müsste nicht nur erheblich mehr Geld als den früheren Jahreszuschuss einplanen (bisher zahlten Stadt und Kreis rund 490 000 Euro jährlich), sondern sogar deutlich mehr als die kompletten bisherigen Kosten: „Wir hätten ja keinerlei Einnahmen mehr, aber mehr Verkehr“. Und ob nun über Fahrleistung (im Stadtbusverkehr kommen rund 780 000 Fahrplankilometer pro Jahr zusammen) oder Passagiere (zuletzt rund drei Millionen pro Jahr): Irgendwie müsse ein Betreiber ja mit dem Staat abrechnen.
Neuer Parkplatz-bedarf?
Tückisch wäre für Kuschel auch, wenn nur die Stadtbuslinien, aber nicht die elf Regionallinien in umliegende Gemeinden gratis wären: „Da hätten Sie schnell einen großen Bedarf an Park-and-ride-parkplätzen am Stadtrand, die müsste auch jemand bauen“, so Kuschel.
Gar keinen Beifall findet die Idee im Rathaus, aus dem zuletzt immerhin 70 Prozent des Zuschusses für den Stadtverkehr kamen. „Niemand kann mir erzählen, dass der Nahverkehr allein vom Bund bezahlt würde“, sagt Oberbürgermeister
Bernhard Ilg, Oberbürgermeister
Bernhard Ilg. Immer häufiger werde kofinanziert, und stets seien auch die Kommunen gefordert. „Das bedeutet, dass uns immer mehr Geld für unsere eigentlichen und originären Aufgaben fehlt“, so Ilg.
Auch Ilg sieht ein Kapazitätsproblem: „Schon jetzt sind die Busse zu Stoßzeiten wirklich voll“, so der OB. Im Gratisbetrieb bräuchte man deutlich mehr als die derzeit rund 25 Stadtbusse. Und dass Infrastruktur wie mehr Parkplätze an den Stadteingängen wieder an der Stadt hängenblieben, sei auch klar. „Grundsätzlich ist jede Verbesserung der öffentlichen Verkehrsmittel sinnvoll“, so Ilg: „Aber da sollte der Staat erst einmal seine Versprechen einhalten und Heidenheim mit einer ausgebauten Brenzbahn besser an Ulm anbinden.“Der Vorschlag der geschäftsführenden Umweltministerin Barbara Hendricks jedenfalls kommt Ilg eher „wie eine Kampagne vor, um die drohende Klage der Eu-kommission abzuwenden“.
Mehr Gefallen an der Idee findet man beim Verkehrsclub Deutschland. „Prinzipiell würden wir einen kostenlosen Nahverkehr natürlich sehr befürworten“, so Felix Krey seitens des Heidenheimer Vcdvorstands: „In der Tat würde das erheblich mehr Menschen dazu bringen, den Bus überhaupt einmal auszuprobieren“– das Ergebnis wäre nach Kreys Schätzung im Straßenverkehr deutlich spürbar. Keine Bedenken hätte Krey auch bei einem Busverkehr, der nur in der Stadt, nicht aber im Kreis gratis wäre. „Ich glaube nicht, dass jemand aus Dischingen mit dem Auto bis an Heidenheims Stadtrand fährt und dann den Bus nimmt.“
VCD hat nur ein Aber
Ein einziges Aber gibt es aber auch beim VCD – und zwar in Bezug auf den eigentlichen Anlass der Idee: „Als Maßnahme zur Luftreinhaltung ist ein kostenloser Stadtbusverkehr in Heidenheim nicht das Mittel der Wahl oder zumindest längst nicht ausreichend“, sagt Felix Krey.