Der perfekte Schnappschuss
Hobby Sie sitzen auf der Lauer an Flughäfen und Gleisen, allzeit bereit, exotische Flieger oder Loks zu knipsen. Train- und Planespotter sind eine eingeschworene Gemeinschaft – und echte Experten. Von Barbara Wollny
Mal eben schnell nach Leipzig, München, Barcelona oder Rammstein. Rammstein? Ein eher unübliches Ziel für einen City-trip. Nicht aber, wenn man „Spotter“ist. Wenn Spotter reisen, geht es um Flugzeuge oder Flughäfen und sonst gar nichts. Hotel, Berge, Strand? Allenfalls Nebensache. Reisen, ob beruflich oder Freizeit, werden grundsätzlich so geplant, dass die Destination einen möglichst interessanten Flughafen aufweist. Oder noch besser, gleich mehrere in Reichweite. Und wenn die Spotter noch nicht allein entscheiden können, wird so lange mit den Eltern argumentiert, bis auch hier das Urlausziel genügend Fliegermotive verspricht.
„Da landet gerade eine Privilege Style.“Marco Veit muss gar nicht groß hinsehen, ganz automatisch weiß er, was gerade auf den Stuttgarter Landebahnen los ist. „Die Privilege“erklärt er, „ist eine spanische Charterlinie, die immer dann einspringt, wenn bei anderen Linien Maschinen ausfallen.“In diesem Fall ist es eine Condor, die am Sonntagabend von Stuttgart nach Mallorca sollte.
Gute Daten sind alles: Über E-mails, die App „Flighttrader24“, die weltweit die Starts und Landungen anzeigt und von anderen Spottern bekommen die Flugzeugfans ihre Informationen über alle und auch die besonders interessanten Flugbewegungen. Die App identifiziert sogar die Flugzeuge am Himmel – man muss dazu nur sein Smartphone in Richtung des Flugzeugs hochhalten.
Auch der Flughafen Stuttgart unterstützt seine Fans tatkräftig. Per Mail werden sie auf besondere Flugbewegungen hingewiesen, zweimal jährlich zu Flughafenführungen eingeladen, wobei dann auch nicht öffentliche Bereiche betreten werden dürfen. „Es ist ein sehr freundschaftliches Geben und Nehmen“, sagt Marco Veit. „Dafür stellen wir dem Flughafen auch bei Bedarf Fotos zur Verfügung.“
Zehntausende Fotos gemacht
Ursprünglich hat das Planespotten einen wenig friedlichen Hintergrund. Im Zweiten Weltkrieg wurde die englische Zivilbevölkerung an den Küsten aufgefordert, die Nummern der ein- und ausfliegenden deutschen Kriegsmaschinen zu „spotten“, also zu notieren. Damit wusste man, ob der Feind das Land wieder verlassen hatte.
Rund 1000 Flugzeugfotografen sind im Stuttgarter Forum gelistet, richtig aktiv sind rund 100. Darunter auffallend viele Jugendliche, „allerdings nur zwei Mädchen“, bedauert Lukas Wunderlich, 17, aus Waldenbuch. Heute trifft er sich mit Timo Jakisch, 15, aus Leonberg und Florian Wolf, 13, aus Aichtal im Süden von Stuttgart am Flughafen. Auch diesmal werden sie von Marco Veit begleitet. Der Steuerfachangestellte ist quasi mit Flughafenluft aufgewachsen und stammt aus Plattenhardt, knapp fünf Kilometer vom Landesflughafen entfernt. Alle Spotter, außer der Jüngste, sind schon seit Jahren begeisterte Flugzeugfotografen und können sich nicht vorstellen, dass ihnen das Hobby je langweilig werden wird. Auch wenn jeder von ihnen schon mehrere 10 000 Bilder aufgenommen hat.
„Jeden Tag kommt irgendwas Interessantes vorbei: Ende April nimmt die Finnair den Sommerflugplan auf, neulich landete die kleinere Antonow in Stuttgart und nahm 28 Porsches für den Flug nach Amerika an Bord“, erzählt Timo. Für die Aufnahmen der Antonow 225, des größten Frachtflugzeugs der Welt, sind Timo und Marco in den Osterferien nach Leipzig gefahren, wo das fliegende Monster mit sechs Triebwerken eine Landung hatte. Und Lukas will nächste Woche mit zehn Jugendlichen einen Tag zum Flughafen Zürich, wo man „eigentlich immer gute Motive“findet.
Neben der Faszination, besondere Flugzeuge oder Maschinen mit Sonderlackierungen auf interessanten Pisten oder bei besonderen Wet- terlagen vor die Linse zu bekommen, kommt es den Jugendlichen auch auf die Hobby-gemeinschaft an. „Unsere besten Freunde sind bei den Spottern“, sagen alle drei Jungs, die selbstredend Berufe anstreben, die mit Fliegerei zu tun haben.
Natürlich haben sie auch Kontakte zu den Gleichaltrigen in Schule oder Sportverein. Wichtiger aber ist ihnen das Zusammensein mit anderen Flugzeugfans. „Im Winter verabreden wir uns, um uns unsere Fotos zu zeigen oder im Flugsimulator Starts und Landungen zu üben. Im Sommer trifft man sich an den Spotter-stellen rund um den Flughafen Stuttgart. Dort sind eigentlich immer irgendwelche Bekannte“. Und selbst wenn man an anderen deutschen oder europäischen Flughäfen fotografiert, sind die Chancen hoch, auch dort auf jemand aus der Spotter-community zu treffen.
„Ich gehe lieber an die frische Luft an den Flughafen und treffe dort meine Freunde, als irgendwo drinnen abzuhängen“, sagt Timo. Dafür steht er auch schon mal am Wochenende um 6 Uhr morgens auf oder harrt eisern bei klirrender Kälte am Flughafenrand aus, wenn Interessantes im Anflug ist.
„Es gibt doch nichts Faszinierenderes, als tonnenschwere Flugzeuge zu fotografieren, wenn sie leicht wie Federn abheben und am Himmel in der Unendlichkeit verschwinden“, sagt Marco Veit. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Leidenschaft eines Tages einschlafen wird.“