Heidenheimer Neue Presse

„Die Welt ist uniformer und langweilig­er geworden“

Ob D-zug oder S-bahn: Alles, was auf Schienen fährt, lässt das Herz von „Trainspott­er“Martin Rimmele höher schlagen.

- Barbara Wollny

„Es gibt echte Spinner, aber auch ganz normale Zeitgenoss­en unter den Trainspott­ern. Manche Leute sammeln Briefmarke­n, ich sammle Zugfotos“. Martin Rimmele, 49, wohnt mit seiner Frau und zwei Söhnen in Stuttgart-hofen. Seine Hobby-intensität hat berufs- und familienbe­dingt mit den Jahren nachgelass­en. Aber noch immer kann sich der It-spezialist für alles begeistern, was auf Schienen fährt.

Darüber hinaus leitet und administri­ert er auch das Bahnforum Stuttgart. „Als 2007 die Umstellung von der Stuttgarte­r Straßen- auf die Stadtbahn kam, überschütt­eten unsere Mitglieder das bundesweit­e Forum so mit Fotos, dass ihnen die Gründung einer eigenen Stuttgarte­r Plattform nahegelegt wurde. 600 Mitglieder sind gelistet, davon circa 100 richtig aktiv“, sagt Rimmele.

„Wenn man wie ich in einer Großstadt aufwächst, hat man Schienen ja irgendwie immer vor der Haustür“, erzählt Rimmele, der mit 14 Jahren angefangen hat, Eisenbahne­n zu fotografie­ren. Allerdings war das früher, als auf den Schienen noch ein „bunter Fahrzeugpa­rk“eingesetzt wurde, etwas abwechslun­gsreicher. „Heute ist die Welt uniformer und steriler und damit auch langweilig­er geworden“, sagt Rimmele.

Auch die Digitalfot­ografie hat das Hobby verändert. Für gute Aufnahmen musste man früher die teuren Profifilme mit 36 Aufnahmen kaufen und sie im Labor entwickeln lassen. „Da hat man es sich natürlich zweimal überlegt, wann man auf den Auslöser drückt.“Wegen der besseren Bildqualit­ät hat Rimmele damals fast nur Diafilme eingesetzt. Die Ordner und Kartons füllen ein ganzes Regal in seinem Haus. Von der etwa sechsstell­igen Zahl digitaler Aufnahmen ganz abgesehen.

Exoten-züge aus Russland

Anfangs hatte Rimmele noch das Ziel, sämtliche Lokomotivn­ummern abzulichte­n. Als diese Sammelleid­enschaft nachließ, weil sich die Motive dann doch zu ähnlich sahen, begann er, gezielt Bahnen auf besonderen Strecken und in speziellen Situatione­n zu fotografie­ren. Als letztes Jahr wegen der Tunnelhava­rie die Rheintalba­hn bei Rastatt gesperrt war, fotografie­rte er, wie die großen Züge über die Nebenstrec­ke Tübingen-horb umgeleitet wurden.

Dass man mit dem Hobby durchaus als Bahn-experte durchgeht, erlebte Rimmele nach der Wende. Damals war er oft zum Fotografie­ren in den neuen Bundesländ­ern unterwegs, um exotische russische und osteuropäi­sche Zugtypen abzulichte­n. Von einem Dienststel­lenleiter der Reichsbahn wurde er angesproch­en, ob er ihm privat erzählen könne, wie es so bei der Bahn in Westdeutsc­hland zugehe. Denn die spärlichen offizielle­n Informatio­nen ließen viele Fragen offen. Da half Rimmele mit seinem Insiderwis­sen natürlich gern aus.

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