Keine Zeit für große Plauderei
USA Angela Merkel kommt zu einem Arbeitsbesuch nach Washington. Die Chancen auf konkrete Erfolge sind gering. Ein Überblick über die Streitpunkte. Von Ellen Hasenkamp
Ganze 150 Minuten wird Kanzlerin Angela Merkel im Weißen Haus verbringen. Wenig Zeit für schöne Bilder. Wenig Zeit aber auch für die vielen Probleme, die derzeit die deutsch-amerikanischen Beziehungen belasten. Vor zehn Monaten haben sie sich das letzte Mal getroffen: Im Juli vergangenen Jahres saßen Us-präsident Donald Trump und Merkel zusammen am G20-konferenztisch in Hamburg. Dann folgte Funkstille: Merkel war mit Bundestagswahl und Regierungsbildung beschäftigt, Trump mit Skandalen. Inzwischen wird zumindest wieder telefoniert.
Viel Zeit für Plaudereien bleibt nicht: Vier-augen-gespräch, Mittagessen, Pressekonferenz – Abflug. Den Vergleich mit den dreitägigen Festspielen für Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron in Washington hält man in Berlin daher für unfair. Es sei „nicht sehr sinnvoll, jetzt Besuche nach Länge und Programmpunkten zu vergleichen“, heißt es in deutschen Regierungskreisen. Doch ohne ein bisschen Symbolik geht es auch bei Merkels „Arbeitsbesuch“nicht. In Berlin wird betont, dass Washington Merkels erstes außereuropäisches Ziel ihrer vierten Amtszeit sei. Und in selten großen Worten nannte die Kanzlerin erst vor wenigen Tagen das transatlantische Bündnis einen „großen Schatz, den ich jedenfalls auch hegen und pflegen möchte“.
Merkel ist keine Symbolpolitikerin. Umso wichtiger sind für sie Ergebnisse: Doch die Chancen für Erfolge in den zentralen Streitfragen stehen schlecht.
Handelsstreit:
Gelingt die Abwehr drohender Strafzölle, strahlt der Erfolg um so heller, gelingt er nicht, ist niemand überrascht. Ein Handelskrieg werde den führenden Volkswirtschaften USA und EU gleichermaßen schaden, warnt die Bundesregierung und verweist auf hunderttausende Jobs in den USA, die von EU-INvestitionen abhängen.
Iran-abkommen:
Bis 12. Mai muss Trump über Sanktionen gegen den Iran und damit letztlich über die Zukunft des Atomabkommens entscheiden. Die Europäer werben vehement für die Beibehaltung des in jahrelanger diplomatischer Feinarbeit ausgehandelten Vertrags. Für Trump ist es dagegen nur ein „schlechter deal“. Die Hoffnungen der Europäer schwinden auch hier. Nicht abgeneigt ist Berlin dem Vorschlag, das Abkommen um weitere Vereinbarungen zu ergänzen. Das soll Trumps Bedenken ausräumen.
Verteidigungsausgaben:
Das große Streitthema zwischen Merkel und Trump im vergangenen Sommer. Deutschland schulde der Nato „riesige Summen“, wetterte der Us-präsident. Von „Schulden“kann natürlich keine Rede sein. Am eigentlichen Konflikt hat sich aber nichts geändert: Von der auch durch Deutschland getragenen Verpflichtung im Bündnis, rund zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung auszugeben, ist Berlin noch immer weit entfernt. Für die Kanzlerin ist das auch ein innenpolitisches Problem. Denn der Koalitionspartner SPD sperrt sich gegen die nötige drastische Erhöhung der Ausgaben. Dennoch ist der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion und frühere Transatlantik-beauftragte Jürgen Hardt (CDU) überzeugt: „Die Bundeskanzlerin wird deutlich machen, dass wir zu den Verpflichtungen der Nato stehen. Eine Relativierung der Zusagen wird sie nicht zulassen.“
Nord Stream II:
Es geht um Macht, um Geopolitik und ums Geschäft: Die geplante Ostseepipeline Nord Stream II, durch die Gas aus Russland nach Deutschland fließen soll, sorgt zwischen Berlin und Washington für Streit. „Deutschland pumpt Milliarden nach Russland“, wütete Trump vor einigen Tagen. In Washington wird befürchtet, dass die Pipeline zum einen die Abhängigkeit Europas und Deutschlands von Moskau vergrößern wird. Und gleichzeitig die Bedeutung der bisherigen Transitländer wie der Ukraine schwindet – und damit ihr Schutz gegenüber Russland. Zugleich wollen die USA natürlich ihre Absatzchancen auf dem internationalen Gasmarkt stärken.
In Berlin fällt die Bewertung natürlich anders aus: Der Anteil von russischem Gas am deutschen Gasverbrauch liege bei nur 37 Prozent, heißt es. „Unsere Analyse ist, dass wir uns nicht abhängiger machen von Russland.“Dass die Röhren insbesondere für das bisherige Transitland Ukraine ein massives Problem darstellen, hat Merkel kürzlich eingeräumt. Dem vom Krieg gebeutelten Land sollen die Transiterlöse von zwei Milliarden Dollar pro Jahr gesichert werden – irgendwie. Dies soll auch Trump besänftigen. In jedem Fall verhindert werden soll, dass an Nord Stream II beteiligte Unternehmen mit Us-sanktionen belegt werden.