Die Gemeinde will einsteigen und den Helfern helfen
Wegen neuer bürokratischer Hindernisse sieht der ökumenische Dienst in Königsbronn seinen Fortbestand gefährdet. Von Gerhard Stock
Nachbarschaftshilfe
Ohne die Ökumenische Nachbarschaftshilfe käme in Königsbronn so mancher Hilfsbedürftige in echte Not. Neue bürokratische Hindernisse bringen den über Jahrzehnte bewährten Dienst nun selbst in Schwierigkeiten – so sehr, dass dessen langjährige Leiterin Irene Dominicus ernsthaft um die Zukunft der Einrichtung fürchtet. In der jüngsten Sitzung des Gemeinderates gab sie Einblick in die Probleme, verursacht durch neue Vorschriften zur Ausbildung und „Entlohnung“der Helferinnen.
Zwölf Aktive stehen bereit, um kranke, alte, alleinstehende, behinderte oder in Not geratene Mitmenschen zu unterstützen. Durchweg gestandene Frauen, Männer sind hier die Ausnahme. Ergänzt wird das Team durch vier „Passive“, die gelegentlich ausschwärmen und mit anpacken können. Da die Zahl der Helferinnen rückläufig ist, wurden 2017 mit 2335 Stunden im Vergleich zum Vorjahr ein Viertel weniger Stunden geleistet, außerdem 150 Stunden ohne Entgelt.
Bisher vom Landratsamt als Einrichtung für „niederschwellige Dienste“anerkannt und finanziell unterstützt, brachte das neue Pflegestärkungsgesetz im Sommer für die Nachbarschaftshilfe nun insofern eine Hiobsbotschaft, als dass damit die Zulassungsanforderungen an die „niederschwellig “tätige Helferschar steigen. Bereits aktive Helferinnen müssen acht Fortbildungsstunden absolvieren und neue dürfen erst tätig werden, wenn sie 30 vorab geleistete Ausbildungsstunden vorweisen können. Für 2018 sieht Dominicus hier zwar noch alles in trockenen Tüchern, doch brauche es im Blick auf 2019 ein Konzept, wolle man weiterhin die Anerkennung durch das Landratsamt. Falle die weg, könne man sich nur noch auf Privatzahler stützen.
Pauschalierung macht Probleme
Größere Bauchschmerzen verursache aber der drohende Wegfall der Unfall- und Haftpflichtversicherung für die Helferinnen. Die Berufsgenossenschaft betrachte deren Tätigkeit neuerdings als Arbeitsverhältnis, da sie ein Entgelt pro Stunde bezögen. Worauf das bischöfliche Ordinariat – die Nachbarschaftshilfe steht bisher in der Trägerschaft der katholischen Kirchengemeinde – eine Anweisung zur pauschalen Bezahlung erlassen habe. Die aber sei in der Praxis extrem schwierig zu handhaben und führe zwangsläufig zu Ungerechtigkeiten. Sie überfor- dere zudem die Rechnungsführung, die ja ebenfalls ehrenamtlich bewältigt werde.
Angesichts des Berges an Problemen zeigte sich Irene Dominicus, sonst ein Ausbund an Optimismus und Einsatzfreude, „nun selbst auch ziemlich frustriert“und denkt verstärkt über einen Rückzug aus dem Hilfsdienst nach. Ohnehin „veraltert“, gelinge es der Nachbarschaftshilfe angesichts der Bürokratisierung kaum mehr, neue Kräfte zu gewinnen. Womöglich auch, weil die Helferinnen mit bisher acht Euro pro Stunde alles andere als fürstlich bezahlt würden. Hier kräftig draufzulegen und etwa auf 12,50 Euro zu erhöhen, sei ohnehin längst geboten. Im Vergleich zu professionellen Diensten sei man dann immer noch konkurrenzlos günstig.
„Nicht strafbar machen“
Das sah auch der Gemeinderat so. Mit Bedauern nahm das Gremium zudem zur Kenntnis, dass Domini- cus mit der Nachbarschaftshilfe „keine großen Sachen mehr annehmen“möchte, solange der Status ungeklärt sei: „Ich will mich nicht strafbar machen.“Hauptamtsleiter Joachim Ziller bestätigte die Bedenken und übte ebenfalls Kritik an ausuferndem Formalismus. Die verordnete Pauschalierung sei weder zumut- noch handhabbar.
„Wir lassen Sie mit diesen Problemen nicht allein“, so Michael Stütz. Bei der Nachbarschaftshilfe handele es sich um ein wertvolles, bürgernahes und vergleichsweise günstiges Hilfsangebot, das auch weiterhin ermöglicht werden soll. In Vorgesprächen sei man deshalb mit den beiden großen Kirchengemeinden übereingekommen, dass die bürgerliche Gemeinde künftig mit ins Boot steige, analog zur Hospizgruppe. Darüber hinaus soll die Nachbarschaftshilfe künftig unterm Dach der evangelischen Kirchengemeinde geführt werden, da diese ohne Pauschalierung auskomme.
Blick auch auf Altersarmut
Unter diesen Vorgaben will die Verwaltung nun ein Konzept erarbeiten, das den Fortbestand der Nachbarschaftshilfe sichern soll. Als deren großen Vorteil sieht man auch die Tatsache, dass man sich kennt, im Gegensatz zur professionellen Anonymität. Darüber hinaus sollen, sofern möglich, die Nachbarn von Hilfsbedürftigen auf eventuelle Probleme im Haus oder in der Wohnung nebenan aufmerksam gemacht werden – ganz im wahrsten Sinne des Wortes Nachbarschaftshilfe.