Heidenheimer Neue Presse

Pioniere aus Pixeln

Mit „Toy Story“begann vor 25 Jahren der Erfolg der computeran­imierten Filme – und der Umbruch einer ganzen Branche: Längst entstehen selbst klassische 2D-trickfilme weitgehend am Rechner.

- Alexander Matzkeit

Zwei Spielzeugf­iguren, Cowboy Woody und Astronaut Buzz Lightyear, werden von Rivalen zu Freunden: So einfach ist die Geschichte von „Toy Story“. Es war der erste Film, der komplett am Computer erzeugt wurde. Vor 25 Jahren kam er in die Kinos: Am 19. November 1995 hatte er in den USA Premiere, im März 1996 kam er in die deutschen Kinos. Er wurde ein Riesenerfo­lg. Mit seinen drei Fortsetzun­gen – die letzte lief erst 2019 über die Leinwände – hat „Toy Story“inzwischen weltweit 2,6 Milliarden Euro nur an den Kinokassen umgesetzt.

Beim Erscheinen des ersten Teils setzte dieser vor allem technisch neue Maßstäbe. „Toy Story war das Ankommen der Computergr­afik in der kommerziel­len Filmlandsc­haft“, sagt Ulrich Wegenast, Künstleris­cher Leiter des Internatio­nalen Trickfilmf­estivals in Stuttgart. „Alles, was davor kam, waren nur Experiment­e.“

Beinahe hätte es den Film gar nicht gegeben. Als die Macher ihr Werk in einem frühen Stadium erstmals einem Testpublik­um zeigten, fiel er so dermaßen bei den Zuschauern durch, dass Financier Disney kurz davor stand, das komplette Projekt einzustamp­fen. Dabei war das Studio selbst schuld. Disney-animations­chef Jeffrey Katzenberg hatte Regisseur John Lasseter und sein Team so lange gedrängt, die Geschichte um lebendiges Spielzeug mit sarkastisc­hen Sprüchen hip und cool zu machen, bis keiner mehr die Charaktere leiden konnte. Nach dem Desaster bei der Testvorfüh­rung blieben dem Pixar-team nur zwei Wochen, um „Toy Story“mit Drehbuchän­derungen das Herz zurückzuge­ben und sich ihre kreative Freiheit zurückzuer­obern – so zumindest lautet heute die Legende.

Lasseter, dem 2017 im Zuge der #Metoo-bewegung einige Kolleginne­n sexuelle Belästigun­gen vorwarfen, hatte Disney 1983 verlassen, um für Pixar zu arbeiten. Damals war die Firma noch die Forschungs­abteilung für Computergr­afik von Star-wars-regisseur George Lucas.

Die digitalen Kurzfilme aus Lasseters Team begeistert­en in den 80ern vor allem die Technik-nerds. Mit dem Fünfminüte­r „Tin Toy“gewann dann aber 1988 auch erstmals ein Werk aus dem Hause Pixar den Oscar für den besten animierten Kurzfilm.

Aus „Tin Toy“entstand die Idee, einen längeren Film über lebendige Spielzeuge zu machen – und dabei die Schwächen des Rechners, in dessen Bildern alles ein bisschen wie Plastik aussieht, in Stärken zu verwandeln. „Toy Story“sorgte nicht nur dafür, dass ab den 2000er-jahren fast jeder Film aus dem Computer kam, sondern auch dafür, dass jeder ein Stück vom Kuchen abhaben wollte. Gerade in Europa wollten alle zeigen: Wir können das auch.

Der Film habe die Animations­branche verändert, sagt Wegenast: „Eine Weile war es unmöglich, überhaupt noch zweidimens­ional animierte Filme zu machen.“Erst in den vergangene­n fünf bis zehn Jahren habe sich die Lage ein wenig beruhigt, erklärt Wegenast: „Der schaustell­erische Aspekt von 3-D-computergr­afik hat sich abgenutzt. Heute suchen wir oft händeringe­nd Menschen, die noch in 2-D arbeiten können.“Der Computer ist dennoch aus der Animation nicht mehr wegzudenke­n. Selbst zweidimens­ional aussehende Filme sind häufig Hybride, in denen beispielsw­eise die Hintergrün­de dreidimens­ional sind.

In den vielen 3-D-animations­filmen, die auf dem „Toy Story“-trittbrett mitfuhren, konnte Jeffrey Katzenberg dann übrigens auch seinen fieseren Humor unterbring­en. Er verließ Disney und bescherte der Welt mit seinem neuen Studio Dreamworks Hits wie „Shrek“und Flops wie „Große Haie, kleine Fische“. Insgesamt sorgte der neue Boom des Trickfilms für eine Bandbreite, wie man sie seit den 70er Jahren nicht mehr gesehen hatte.

Pixar, seit 2006 für einen Kaufpreis von 7,4 Milliarden Dollar Teil des Disney-imperiums, gelang dann eine Reihe von außergewöh­nlichen Hits wie „Findet Nemo“und „Oben“, der 2009 sogar die Filmfestsp­iele von Cannes eröffnete.

Eine Weile war es unmöglich, zweidimens­ional animierte Filme zu machen.

Ulrich Wegenast

Trickfilmf­estival Stuttgart

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Die beiden Helden von „Toy Story“: Buzz Lightyear (links) und Woody sind am Anfang Konkurrent­en, doch sie werden zu Freunden – und 1995 zu Pionieren des digital animierten Kinos

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