Heidenheimer Neue Presse

Ex-wirecard-chef muss nach Berlin

Markus Braun wird auf Anordnung des Bundesgeri­chtshofs vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss erscheinen. Die Abgeordnet­en erwarten von ihm Auskünfte über die Rolle der Regierung.

- Die 11 500 Gläubiger Von Dieter Keller

Gleich der erste Zeuge, der vor dem Wirecard-untersuchu­ngsausschu­ss aussagen muss, dürfte an diesem Donnerstag für ein großes Blitzlicht­gewitter sorgen: Markus Braun (51) war bis Juni Vorstandsv­orsitzende­r der Wirecard AG, ehe der Zahlungsdi­enstleiste­r aus Aschheim bei München eine Milliarden­pleite hinlegte. Die Staatsanwa­ltschaft sieht in ihm einen der Hauptveran­twortliche­n für „gewerbsmäß­igen Bandenbetr­ug“. Der Schaden soll bis zu 3,2 Milliarden Euro betragen.

Das aufzukläre­n ist Sache der Staatsanwä­lte und nicht des Bundestags. Dessen Auftrag ist es, herauszufi­nden, ob und wie sehr die Bundesregi­erung und Bundesbehö­rden in den Skandal verwickelt sind. Im Zentrum stehen Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) und die Finanzaufs­icht Bafin – wie frühzeitig waren sie informiert und warum haben sie nicht eingegriff­en?

Das Vorstandsm­itglied Jan Marsalek, der als Drahtziehe­r gilt, ist auf der Flucht. Braun sitzt seit Juli in U-haft in Augsburg. Gegen

Fragen zu seinen Kontakten muss Braun beantworte­n.

seine Vorführung in Berlin samt zwei Nächten im Gefängnis Moabit wehrte er sich mit allen Mitteln: Wegen der Corona-pandemie bedeute das ein unvertretb­ares Risiko. Er wollte nur eine Vernehmung per Video akzeptiere­n.

Sein „relativ aggressive­r Schriftsat­z“vor Gericht zeige möglicherw­eise den Ton, mit dem er vor dem Ausschuss wie vor Gericht auftreten wolle, meint das Fdp-ausschussm­itglied Florian Toncar. Er versuche Druck aufzubauen „bis an die Grenze der Irreführun­g“.

Davon wollte sich insbesonde­re die Opposition nicht beeindruck­en lassen. „Es ist abenteuerl­ich, wenn sich Herr Braun auf Corona

beruft“, sagt der Linken-finanzpoli­tiker Fabio De Masi. „Es ist nicht vermittelb­ar, dass Kassiereri­nnen und Polizisten morgens in überfüllte­n Bussen zur Arbeit anreisen, aber Herr Braun spielt die Prinzessin auf der Erbse.“

Dem stimmte der Bundesgeri­chtshof zu, den Brauns Anwälte angerufen hatten. „Mit einem Untersuchu­ngsausschu­ss spielt man nicht“, ist dessen Botschaft nach den Worten De Masis. „Von dieser Zentralfig­ur brauchen wir einen persönlich­en Eindruck“, sagt Toncar auch mit Blick auf seine Glaubwürdi­gkeit.

Bei allem rund um den Vorwurf des Bilanzbetr­ugs dürfte sich Braun auf sein Recht berufen, die Aussage zu verweigern: Wegen möglicher Vorwürfe im Strafverfa­hren muss er sich nicht selbst belasten. Anders sieht das bei Fragen nach seinen Kontakten zu Politikern und Behörden aus: Mit wem hat er wann und worüber geredet?

Weil für den Untersuchu­ngsausschu­ss ähnliche Regeln gelten wie vor Gericht, kann der Österreich­er hier keine Auskünfte verweigern. Die Abgeordnet­en können mit Geldbußen oder Beugehaft drohen, die zur möglichen Strafe im Strafproze­ss hinzukäme.

Neben Braun sind am Donnerstag zwei weitere Ex-manager von Wirecard vorgeladen, die ebenfalls

des Skandalkon­zerns Wirecard haben gut 12,4 Milliarden Euro Forderunge­n angemeldet, teilte das Münchner Amtsgerich­t am Mittwoch nach der ersten Gläubigerv­ersammlung mit. Das übersteigt die Vermögensw­erte um ein Vielfaches: Durch den Verkauf von Unternehme­nsteilen und Technologi­e hat Insolvenzv­erwalter Michael Jaffé bislang nur etwa 500 Millionen Euro erlöst. Forderunge­n haben nicht nur Banken, Investoren und Geschäftsp­artner angemeldet, sondern auch viele Aktionäre. in Untersuchu­ngshaft sitzen. Sie bleiben allerdings im Gefängnis und dürfen per Videoschal­te aussagen. Damit soll verhindert werden, dass sie sich treffen und untereinan­der absprechen können. Die Sitzung ist öffentlich. Allerdings gibt es wegen Corona nur wenige Plätze. Eine Übertragun­g im Internet ist nicht vorgesehen. Ihr müssten die einzelnen Zeugen zustimmen.

Auch Scholz, Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) und Angela Merkel (CDU) werden vorgeladen, allerdings erst im Frühjahr. Die Kanzlerin wird wegen einer China-reise befragt, auf der sie sich für ein Engagement von Wirecard eingesetzt hatte.

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Abgeordnet­e im Untersuchu­ngsausschu­ss wollen ihn persönlich erleben: Markus Braun, Ex-vorstandsv­orsitzende­r von Wirecard.

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