Die überlastete Rente
Erstaunlich leise fiel der Aufschrei der Sozialverbände aus, als bekannt wurde, dass die Rentenerhöhung im nächsten Jahr im Westen ganz ausfällt und im Osten nur wegen der Angleichung ans West-system ein kleiner Zuschlag winkt. Normalerweise fordern sie mindestens einen Ausgleich der Preissteigerung. Aber das geht schlecht in Zeiten, in denen es schon wegen der zeitweisen Senkung der Mehrwertsteuer kaum Inflation gibt. Zumal der Zuschlag in diesem Jahr deutlich ausfiel und ähnliches auch 2022 winkt.
So gut geht es vielen Arbeitnehmern nicht, die in Kurzarbeit geschickt wurden und keinen vollen Lohnausgleich erhalten. Die Rentner haben die Garantie, dass ihre Bezüge zumindest nicht gekürzt werden, auch wenn sie dies nicht als große Errungenschaft betrachten dürften.
Unser Rentensystem basiert auf dem Versprechen, dass die Senioren von einer guten wirtschaftlichen Entwicklung profitieren, wenn auch mit gewissen Abstrichen. Das müsste eigentlich auch im umgekehrten Fall passieren. Doch das hat Arbeitsminister Hubertus Heil derzeit ausgehebelt. Der erstaunliche Effekt. Zwar steigen die Renten nicht, wohl aber das Rentenniveau. Eben weil die Löhne sinken. Nun kann man sehen, was dieses Wahlkampfversprechen wert war. Der einzelne Rentner hat nämlich herzlich wenig von dieser abstrakten Zahl. Für den zählt, wie viel Geld jeden Monat auf dem Konto landet.
Ähnlich sieht es mit der Aussage aus, dass es noch keiner Rentnergeneration so gut ging wie der heutigen – und vermutlich auch keiner künftigen. Ein wichtiger Faktor dafür ist, dass viele neben der Rente noch andere Einkünfte haben von einer Betriebsrente über Sparguthaben bis zu Immobilienbesitz.
Aber eben längst nicht alle. Leider hat die Riester-rente bei weitem nicht so viel gebracht, wie es sich ihre Väter versprochen haben. Das ist nur eines der ungelösten Probleme der Altersvorsorge.
Ist die Rente immer noch sicher, wie einst Norbert Blüm plakatierte? Leider nein. In der zu Ende gehenden Legislaturperiode hat die Große Koalition neue Leistungen eingeführt von der Erhöhung der Mütterrente bis zur Grundrente. Doch das wenigste ist nachhaltig finanziert. Ganz zu schweigen von einer langfristigen Perspektive, die eigentlich beschlossen werden sollte. Union und SPD retten sich mit Mühe bis zur Bundestagswahl.
Die nächste Regierung steht vor einem Scherbenhaufen. Der Beitragssatz steigt spätestens 2023 deutlich. Der Bund muss immer mehr zuschießen. Dabei finanziert er nicht einmal Leistungen wie die Mütterrente voll aus Steuermitteln. Zudem nehmen die Klagen zu, dass die pensionierten Beamten deutlich besser dran seien als die Rentner.
Ein Sozialsystem wie die Rente muss laufend an die sich wandelnden Rahmenbedingungen angepasst werden. Wie schnell die sich ändern können, hat Corona gezeigt. Es wäre gut, wenn die Politiker nicht ständig davor kneifen würden. Ob Rentner mindestens einen Inflationsausgleich bekommen, gehört zu den kleinen Herausforderungen.
Die nächste Regierung steht spätestens 2023 vor einem rentenpolitischen Scherbenhaufen.