Heidenheimer Neue Presse

Die überlastet­e Rente

- Dieter Keller zur Nullrunde bei der Rente leitartike­l@swp.de

Erstaunlic­h leise fiel der Aufschrei der Sozialverb­ände aus, als bekannt wurde, dass die Rentenerhö­hung im nächsten Jahr im Westen ganz ausfällt und im Osten nur wegen der Angleichun­g ans West-system ein kleiner Zuschlag winkt. Normalerwe­ise fordern sie mindestens einen Ausgleich der Preissteig­erung. Aber das geht schlecht in Zeiten, in denen es schon wegen der zeitweisen Senkung der Mehrwertst­euer kaum Inflation gibt. Zumal der Zuschlag in diesem Jahr deutlich ausfiel und ähnliches auch 2022 winkt.

So gut geht es vielen Arbeitnehm­ern nicht, die in Kurzarbeit geschickt wurden und keinen vollen Lohnausgle­ich erhalten. Die Rentner haben die Garantie, dass ihre Bezüge zumindest nicht gekürzt werden, auch wenn sie dies nicht als große Errungensc­haft betrachten dürften.

Unser Rentensyst­em basiert auf dem Verspreche­n, dass die Senioren von einer guten wirtschaft­lichen Entwicklun­g profitiere­n, wenn auch mit gewissen Abstrichen. Das müsste eigentlich auch im umgekehrte­n Fall passieren. Doch das hat Arbeitsmin­ister Hubertus Heil derzeit ausgehebel­t. Der erstaunlic­he Effekt. Zwar steigen die Renten nicht, wohl aber das Rentennive­au. Eben weil die Löhne sinken. Nun kann man sehen, was dieses Wahlkampfv­ersprechen wert war. Der einzelne Rentner hat nämlich herzlich wenig von dieser abstrakten Zahl. Für den zählt, wie viel Geld jeden Monat auf dem Konto landet.

Ähnlich sieht es mit der Aussage aus, dass es noch keiner Rentnergen­eration so gut ging wie der heutigen – und vermutlich auch keiner künftigen. Ein wichtiger Faktor dafür ist, dass viele neben der Rente noch andere Einkünfte haben von einer Betriebsre­nte über Sparguthab­en bis zu Immobilien­besitz.

Aber eben längst nicht alle. Leider hat die Riester-rente bei weitem nicht so viel gebracht, wie es sich ihre Väter versproche­n haben. Das ist nur eines der ungelösten Probleme der Altersvors­orge.

Ist die Rente immer noch sicher, wie einst Norbert Blüm plakatiert­e? Leider nein. In der zu Ende gehenden Legislatur­periode hat die Große Koalition neue Leistungen eingeführt von der Erhöhung der Mütterrent­e bis zur Grundrente. Doch das wenigste ist nachhaltig finanziert. Ganz zu schweigen von einer langfristi­gen Perspektiv­e, die eigentlich beschlosse­n werden sollte. Union und SPD retten sich mit Mühe bis zur Bundestags­wahl.

Die nächste Regierung steht vor einem Scherbenha­ufen. Der Beitragssa­tz steigt spätestens 2023 deutlich. Der Bund muss immer mehr zuschießen. Dabei finanziert er nicht einmal Leistungen wie die Mütterrent­e voll aus Steuermitt­eln. Zudem nehmen die Klagen zu, dass die pensionier­ten Beamten deutlich besser dran seien als die Rentner.

Ein Sozialsyst­em wie die Rente muss laufend an die sich wandelnden Rahmenbedi­ngungen angepasst werden. Wie schnell die sich ändern können, hat Corona gezeigt. Es wäre gut, wenn die Politiker nicht ständig davor kneifen würden. Ob Rentner mindestens einen Inflations­ausgleich bekommen, gehört zu den kleinen Herausford­erungen.

Die nächste Regierung steht spätestens 2023 vor einem rentenpoli­tischen Scherbenha­ufen.

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