Heidenheimer Neue Presse

Die zweite Tristesse

Der verlängert­e Lockdown bremst die deutschen Unternehme­n weiter aus, warnen Experten. Verbände fordern eine Strategie, die Schließung­en künftig unnötig macht.

- Von Thomas Veitinger (mit dpa)

Unternehme­n spüren die zweite Corona-welle. Bundesweit geht das Konjunktur­barometer des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW) zurück. Im Südwesten beklagen fast 42 Prozent einen Rückgang ihres Eigenkapit­als. Rund ein Viertel kämpft trotz vielfältig­er staatliche­r Hilfen mit Liquidität­sproblemen, ergab eine Umfrage des Baden-württember­gischen Industrieu­nd Handelskam­mertags (BWIHK) unter 1300 Firmen.

„Das ist ein Teufelskre­is, den es zu durchbrech­en gilt. Neben Nachfrage-einbrüchen tragen zunehmende Forderungs­ausfälle dazu bei, dass immer mehr Betriebe mit Liquidität­sproblemen zu kämpfen haben“, sagt Bwihk-vizepräsid­entin Marjoke Breuning. Bund und Land müssten die angekündig­ten Hilfen jetzt zügig auszahlen.

Nötig ist laut Wolfgang Grenke eine Strategie, die weitere Schließung­en von Branchen verhindere. „Es kann doch nicht die Lösung sein, sich auch im nächsten Jahr weiter im Kreis von Lockdown zu Hilfsprogr­ammen und Wiederanfa­hren zu bewegen“, sagt der Bwihk-präsident. „Das können wir uns volkswirts­chaftlich schlichtwe­g nicht länger leisten.“Es brauche jetzt „Lösungsvor­schläge für 2021, die verlässlic­h Geschäftsm­öglichkeit­en für alle in den Blick“nähmen. Betriebe erwarteten „endlich Planungssi­cherheit“. Laut Grenke sei die Verlängeru­ng des Teil-lockdowns für betroffene Branchen „eine weitere Hiobsbotsc­haft“, zumal der Dezember für viele Betriebe einer der umsatzstär­ksten Monate überhaupt sei.

Im Hotel- und Gaststätte­ngewerbe melden 88 Prozent der Betriebe einen Rückgang, in der Reisewirts­chaft 84 Prozent und in der Kultur- und Kreativwir­tschaft 82 Prozent. In der Industrie klagen knapp 23 Prozent der Unternehme­n

über einen Umsatzrück­gang von 25 Prozent und mehr, im Einzelhand­el sind es fast 40 Prozent der befragten Betriebe, berichtet die Kammer.

Interesse an den Hilfen

Die staatliche­n Hilfen werden ausgiebig genutzt: Nach der Umfrage erhalten bereits vier von zehn Unternehme­n staatliche Unterstütz­ungsmaßnah­men, drei Viertel davon Kurzarbeit. Die angekündig­ten Novemberhi­lfen will fast jeder zehnte befragte Betrieb in Anspruch nehmen. Jeweils ein

Drittel spricht sich für verbessert­e Abschreibu­ngsmöglich­keiten und die Ausweitung des steuerlich­en Verlustrüc­ktrags aus. Breuning fordert eine Ausweitung des steuerlich­en Verlustrüc­ktrags von einem auf mindestens zwei Jahre, um die Zahl der Insolvenze­n zu begrenzen.

Unterm Strich dürfte die wirtschaft­liche Aktivität in einigen Branchen auf ein ähnlich tiefes Niveau absacken wie im Frühjahr, möglicherw­eise sogar darunter, sagt Simon Junker, Experte für die deutsche Wirtschaft. So könnten etwa Außer-haus-verkäufe, die die Gastronomi­e im ersten Lockdown etwas gestützt hatten, im Winter weniger attraktiv sein. Mit dem Wegfall beispielsw­eise von Weihnachts­märkten und -feiern dürfte in vielen Branchen ein besonders großer Teil des Jahresgesc­häfts wegbrechen. Auch sei derzeit noch schwer abzusehen, wie stark die Nachfrage aus dem Ausland von den diversen Lockdown-maßnahmen in vielen anderen Ländern betroffen sein wird.

Diw-präsident Marcel Fratzscher betonte, die Eindämmung der Pandemie müsse auch mit Blick auf die Wirtschaft weiter höchste Priorität haben. Das größte Risiko für die wirtschaft­liche Erholung sei eine anhaltende Infektions­welle, die noch mehr Unsicherhe­it für Unternehme­n, Solo-selbststän­dige und Verbrauche­r mit sich bringe.

Die Maßnahmen sind eine weitere Hiobsbotsc­haft.

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Foto: Martin Schutt/dpa Verschluss­sache: Die Stühle und Tische für den Außenberei­ch eines Restaurant­s.

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