Die zweite Tristesse
Der verlängerte Lockdown bremst die deutschen Unternehmen weiter aus, warnen Experten. Verbände fordern eine Strategie, die Schließungen künftig unnötig macht.
Unternehmen spüren die zweite Corona-welle. Bundesweit geht das Konjunkturbarometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zurück. Im Südwesten beklagen fast 42 Prozent einen Rückgang ihres Eigenkapitals. Rund ein Viertel kämpft trotz vielfältiger staatlicher Hilfen mit Liquiditätsproblemen, ergab eine Umfrage des Baden-württembergischen Industrieund Handelskammertags (BWIHK) unter 1300 Firmen.
„Das ist ein Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt. Neben Nachfrage-einbrüchen tragen zunehmende Forderungsausfälle dazu bei, dass immer mehr Betriebe mit Liquiditätsproblemen zu kämpfen haben“, sagt Bwihk-vizepräsidentin Marjoke Breuning. Bund und Land müssten die angekündigten Hilfen jetzt zügig auszahlen.
Nötig ist laut Wolfgang Grenke eine Strategie, die weitere Schließungen von Branchen verhindere. „Es kann doch nicht die Lösung sein, sich auch im nächsten Jahr weiter im Kreis von Lockdown zu Hilfsprogrammen und Wiederanfahren zu bewegen“, sagt der Bwihk-präsident. „Das können wir uns volkswirtschaftlich schlichtweg nicht länger leisten.“Es brauche jetzt „Lösungsvorschläge für 2021, die verlässlich Geschäftsmöglichkeiten für alle in den Blick“nähmen. Betriebe erwarteten „endlich Planungssicherheit“. Laut Grenke sei die Verlängerung des Teil-lockdowns für betroffene Branchen „eine weitere Hiobsbotschaft“, zumal der Dezember für viele Betriebe einer der umsatzstärksten Monate überhaupt sei.
Im Hotel- und Gaststättengewerbe melden 88 Prozent der Betriebe einen Rückgang, in der Reisewirtschaft 84 Prozent und in der Kultur- und Kreativwirtschaft 82 Prozent. In der Industrie klagen knapp 23 Prozent der Unternehmen
über einen Umsatzrückgang von 25 Prozent und mehr, im Einzelhandel sind es fast 40 Prozent der befragten Betriebe, berichtet die Kammer.
Interesse an den Hilfen
Die staatlichen Hilfen werden ausgiebig genutzt: Nach der Umfrage erhalten bereits vier von zehn Unternehmen staatliche Unterstützungsmaßnahmen, drei Viertel davon Kurzarbeit. Die angekündigten Novemberhilfen will fast jeder zehnte befragte Betrieb in Anspruch nehmen. Jeweils ein
Drittel spricht sich für verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten und die Ausweitung des steuerlichen Verlustrücktrags aus. Breuning fordert eine Ausweitung des steuerlichen Verlustrücktrags von einem auf mindestens zwei Jahre, um die Zahl der Insolvenzen zu begrenzen.
Unterm Strich dürfte die wirtschaftliche Aktivität in einigen Branchen auf ein ähnlich tiefes Niveau absacken wie im Frühjahr, möglicherweise sogar darunter, sagt Simon Junker, Experte für die deutsche Wirtschaft. So könnten etwa Außer-haus-verkäufe, die die Gastronomie im ersten Lockdown etwas gestützt hatten, im Winter weniger attraktiv sein. Mit dem Wegfall beispielsweise von Weihnachtsmärkten und -feiern dürfte in vielen Branchen ein besonders großer Teil des Jahresgeschäfts wegbrechen. Auch sei derzeit noch schwer abzusehen, wie stark die Nachfrage aus dem Ausland von den diversen Lockdown-maßnahmen in vielen anderen Ländern betroffen sein wird.
Diw-präsident Marcel Fratzscher betonte, die Eindämmung der Pandemie müsse auch mit Blick auf die Wirtschaft weiter höchste Priorität haben. Das größte Risiko für die wirtschaftliche Erholung sei eine anhaltende Infektionswelle, die noch mehr Unsicherheit für Unternehmen, Solo-selbstständige und Verbraucher mit sich bringe.
Die Maßnahmen sind eine weitere Hiobsbotschaft.