Nicht an allem schuld
In dunklen Farben malt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung die Lage: Zu den seit Jahrzehnten bekannten Abhängigkeits-problemen komme nun auch noch, dass die Corona-pandemie neue Suchtgefahren schaffe. Und tatsächlich scheint so rein vom Gefühl her der Griff zum Glas Bier oder Wein bei der Arbeit daheim früher und häufiger als sonst zu erfolgen. Das zumindest haben viele Homeoffice-tätige an sich selbst und an anderen festgestellt. Mit wirklich belastbaren Zahlen aber hat die Drogenbeauftragte ihre These nicht untermauert. Und siehe da: Der Bier-absatz ist nach Angaben der Brauer in diesem Jahr um 14 Prozent zurückgegangen. Es wird wohl tatsächlich mehr zu Hause getrunken – was die ausgefallenen Kneipenbesuche aber längst nicht ersetzt.
Ganz ähnlich beim Wein: Online und im Supermarkt wird zwar deutlich mehr als früher gekauft – vor Corona aber wurde die Hälfte des getrunkenen Weins außer Haus konsumiert, und das ist durch den heimischen Genuss in der Pandemie überhaupt nicht ausgeglichen worden.
Wenn die Drogenbeauftragte zudem vermerkt, dass Kinder und Jugendliche viel häufiger vor dem Computer sitzen würden als früher, hat das ja nicht nur mit reinem Zeitvertreib oder der Aufrechterhaltung von Freundschaften in Zeiten von Abstand und Quarantäne zu tun, sondern etwa auch mit digitalem Lernen, das immer mehr Schulen anbieten. Dann ist das ja sogar gesellschaftlich erwünscht.
So schlimm jede Abhängigkeit, ob nun von Alkohol, Tabak, Kokain oder Glücksspiel, auch ist: Man muss das Virus, so omnipräsent es gerade auch scheint, nicht auch noch für Süchte aller Art verantwortlich machen. Corona ist so schon übel genug.