Heidenheimer Neue Presse

Obenauf und im freien Fall

Beide gelten als sympathisc­he Underdogs. Doch die Lage bei Union Berlin und dem SC Freiburg könnte derzeit nicht unterschie­dlicher sein. Die Gründe dafür sind vielschich­tig.

- Von Carsten Muth

Kaum ein Bundesliga-trainer leidet so mit seinem Team wie Christian Streich. Der 55-Jährige ist seit achteinhal­b Jahren Chefcoach beim SC Freiburg. Er hat mit dem Klub viel erlebt. Höhen und Tiefen. So angeschlag­en wie nach der Niederlage am vergangene­n Wochenende hat man den Badener aber selten gesehen. Streich rang mächtig um Fassung, rief nach dem 2:3 gegen Mainz 05 umgehend den Abstiegska­mpf aus.

Freiburg wartet nun bereits seit sieben Spielen auf einen Dreier. Der Kontrast zu Union Berlin, ein ebenfalls als sympathisc­h geltender Underdog der Liga, könnte derzeit größer nicht sein. Bei den Eisernen herrscht eitel Sonnensche­in. Union ist die Überraschu­ng im Fußball-oberhaus: Die Berliner stehen auf Platz fünf nach acht Spielen. Da passt es ins Bild, dass Union-trainer Urs Fischer wie ein Anti-streich daherkommt, zumindest was das Ausleben von Emotionen betrifft. Richtig ausgelasse­n hat man Fischer nur einmal in seinen bislang zweieinhal­b Dienstjahr­en in Köpenick erlebt: beim beinahe sensatione­llen Bundesliga-aufstieg von Union im Sommer 2019.

Unions Transferpo­litik geht auf

Ansonsten coacht der Schweizer sein Team bemerkensw­ert souverän. Dass manche Union-fans bereits von der Qualifikat­ion für den Europapoka­l träumen, kann der 54-Jährige überhaupt nicht verstehen. „Doof und dumm“nennt Fischer das. Er sagt: „Das Ziel bleibt der Klassenerh­alt.“Wer seine Berliner spielen sieht, könnte allerdings schon auf den Gedanken kommen, dass in dieser Saison deutlich mehr drin sein könnte als nur der Liga-verbleib. Denn Union spielt befreit auf, hat mit dem früheren Nationalsp­ieler Max Kruse deutlich an spielerisc­her Klasse gewonnen.

Die Erfolge der Eisernen kommen nicht so überrasche­nd, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Unions Transferpo­litik geht auf. Beim Sieg in Köln standen sieben Neuzugänge auf dem Platz. Die Berliner mussten vor der Saison – wie der SC Freiburg – viele Abgänge verkraften. Unter anderem verließen die Aufstiegsh­elden Sebastian Andersson (Torjäger, 1. FC Köln) und Stammtorwa­rt Rafal Gikiewicz (Torwart, FC Augsburg) die Eisernen. Nun hält Andreas Luthe (kam aus Augsburg) den Kasten sauber, für Andersson haben die Berliner ebenfalls einen guten Ersatz gefunden: Liverpool-leihspiele­r Taiwo Awoniyi. In der Defensive sorgt der Ex-wolfsburge­r Robin Knoche für Stabilität. Zudem stehen Trainer Fischer im Mittelfeld mit den ehemaligen Heidenheim­ern Robert Andrich und Sebastian Griesbeck und dem Ex-vfb-kapitän Christian Gentner physisch starke Akteure zur Verfügung. Union ist ein unangenehm­er Gegner. Auch ohne die Unterstütz­ung der leidenscha­ftlichen Fans im Stadion an der Alten Försterei.

Freiburg zu heimschwac­h

Ohne die Anfeuerung seiner Anhänger muss auch der SC Freiburg auskommen. Das Schwarzwal­d-stadion ist keine Festung. In dieser Saison hat der SCF den schwächste­n Heimstart seiner Bundesliga-geschichte hingelegt, bislang erst zwei Punkte in vier Spielen geholt. Beim Sport-club kommt viel zusammen: Das Team agiert bei gegnerisch­en Standards ungeschick­t, ist zu harmlos beim Torabschlu­ss, macht viele individuel­le Fehler. Hinzu kommen strittige Schiedsric­hterentsch­eidungen. Nur noch drei Punkte trennen den Tabellen-14. von einem direkten Abstiegspl­atz.

Die Lücken, die die Abgänge der Nationalsp­ieler Robin Koch (Leeds United) und Lukas Waldschmid­t (Benfica Lissabon) sowie Keeper Alexander Schwolow (Hertha BSC) gerissen haben, konnten die Breisgauer noch nicht schließen. Der teuerste Einkauf der Vereinsges­chichte – Baptiste Santamaria kam für zehn Millionen Euro vom französisc­hen Erstligist­en Angers – hat noch nicht Fuß gefasst. Und so befindet sich Freiburg im freien Fall, den Trainer Christian Streich stoppen will. Er sagt: „Wir müssen alles dafür tun, um in der Liga zu bleiben. Aber das ist ja keine Überraschu­ng für Freiburg.“

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