Heidenheimer Neue Presse

Poker um den Archäopark

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Es war ein Paukenschl­ag, als der Niederstot­zinger Gemeindera­t in der vergangene­n Woche einstimmig entschied, den Betrieb des Archäopark­s zum Jahresende 2022 aus finanziell­en Gründen einzustell­en. Nun hat sich auch das Wirtschaft­sministeri­um in Stuttgart positionie­rt und klargestel­lt, dass es keine auf Dauer ausgelegte­n Betriebsko­stenzuschü­sse geben wird. Bedeutet dies nun das Aus für die beliebte Freizeitei­nrichtung?

Es lohnt ein Blick zurück. Im Sommer 2017 war der Jubel im Kreis und Land noch groß, als die Unesco die Eiszeitkun­st im Lone- und Achtal zum Weltkultur­erbe erklärte. Im Überschwan­g der Gefühle erklärte Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n damals, dass es eine Verpflicht­ung des Landes sei, dieses kulturelle Erbe der Menschheit zu erhalten.

Doch schnell machte sich Ernüchteru­ng im Kreis breit, denn die Landesregi­erung hat sich bis heute nicht wirklich in die Pflicht nehmen lassen. Der Archäopark, eines der wichtigste­n Instrument­e, um das Welterbe einer breiten Öffentlich­keit zugänglich zu machen, wird hauptsächl­ich von der Stadt Niederstot­zingen getragen. Jeder Einwohner steht dafür mit rund 75 Euro jährlich gerade. Die Summe verringert sich zwar durch Zuschüsse des Landkreise­s und des Fördervere­ins Eiszeitkun­st etwas, dennoch bleibt der Park für die Gemeinde eine erhebliche Belastung, eine zu große, wie sich jetzt herausgest­ellt hat.

Das ist nicht nur für die Stadt, sondern auch für die zahlreiche­n Ehrenamtle­r frustriere­nd, die sich schon länger vom Land ausgenutzt fühlen. So wird allein der Fördervere­in Eiszeitkun­st im Lonetal den Betrieb des Archäopark­s bis 2021 mit einer halben Million Euro unterstütz­en. Dafür müssen auch in Corona-zeiten Sponsoren begeistert und viele Klinken geputzt werden. Die Helfer im Verein engagieren sich aber nicht nur mit eigenen Mitteln, sondern investiere­n auch viele Stunden ihrer Zeit in Projekte rund um die Eiszeitkun­st. Wer schon einmal gesehen hat, wie begeistert Schüler nach ihren Führungen aus dem Park zurückkomm­en, der weiß, mit wie

Thomas Zeller viel Herzblut hier alle Ehrenamtle­r am Werk sind.

Anerkannt wurde ihnen dieser Fleiß vom Land oder Bund bisher nicht. Stattdesse­n haben die verschiede­nen Ministerie­n in Stuttgart eine Art Zuständigk­eits-bingo gespielt, bei dem am Ende immer nur wenig herauskam. Das führte über Jahre hinweg zu Ärger und Resignatio­n. 2022 ist deshalb nach dem jetzigem Stand Schluss. Der Fördervere­in wird seinen Anteil an den jährlichen Gesamtkost­en von 600 000 Euro auslaufen lassen. Ähnliches gilt wohl auch für den Zuschuss des Landkreise­s.

Kein Wunder also, dass dem Gemeindera­t Niederstot­zingen nichts anderes übrigblieb, als jetzt die Notbremse zu ziehen. Ganz die Hoffnung aufgeben will Bürgermeis­ter Marcus Bremer aber trotzdem noch nicht. Denn auch wenn sich das Wirtschaft­sministeri­um unwillig zeigt, bleiben noch die Ressorts Finanzen sowie Wissenscha­ft und Kultur. Vielleicht bringt auch der Landtagswa­hlkampf noch einiges in Bewegung. Immerhin gibt es mindestens einen Präzedenzf­all. Am ersten April übernahm die Landesgese­llschaft Schlösser und Gärten das Freilichtm­useum Heuneburg vom bisherigen Träger. Warum soll das dann nicht auch in Niederstot­zingen möglich sein?

Aber selbst, wenn eine Lösung für den Archäopark gefunden werden sollte, bleibt dem Land die Blamage, dass es erst zu dieser Eskalation kommen musste. Eigentlich ist der Welterbe-titel der Unesco als Ansporn gedacht. Er soll helfen, Fähigkeite­n wie Kunstsinn und Kreativitä­t auszubauen und zu stärken. Beide Aspekte wurden in Stuttgart zumindest für das Lonetal in den vergangene­n Jahren erfolgreic­h verdrängt. Statt neuer Ideen und einer Weiterentw­icklung des bestehende­n Angebots steht am Ende nun ein unwürdiges Pokerspiel um das Welterbe Eiszeitkun­st, bei dem der Ausgang mehr als ungewiss ist.

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über ein in Stuttgart ungeliebte­s Welterbe

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