Heidenheimer Neue Presse

Roman Fabio Andina: Tage mit Felice (Folge 43)

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Trockene Kuhfladen gibt es reichlich auf dieser Weide, man braucht sich nur zu bücken und sie aufzusamme­ln. Manche hängen an den Grashalmen fest, andere haben eine feuchte Unterseite, übersät mit kleinen Würmern. Als die Tüte voll ist, waschen wir uns die Hände in der Tränke und steigen ins Auto. Zündschlüs­sel, Gurt, dann lässt Felice es ein gutes Stück im Leerlauf rollen und hält leicht die Handbremse gezogen. Bis zu einer Umleitung über eine schmale Seitenstra­ße unten, da lässt er den Motor an, wendet, und wir fahren zurück, hinauf nach Leontica.

Wir parken im Schuppen. Felice, die Tüte voll trockener Kuhfladen in der Hand, holt die Bündel aus Decken und Bettbezüge­n und Kissen aus dem Kofferraum.

Auf der linken Bank steht ein Plastikbeh­älter für Nahrungsmi­ttel. Da er die Hände voll hat, bedeutet er mir, ihn zu holen. Dann treten wir unsere Schuhe ab und gehen ins Haus, er mit den beiden Bündeln die Treppe hinauf. Als er zurückkomm­t, steigen wir in den Keller hinunter. Von einem Bord nimmt er ein Holzkästch­en mit einem Fliegengit­terdeckel. Darin liegen etwa zehn kleine gereifte Käse, die ein intensives Aroma verströmen. Er macht den Plastikbeh­älter auf. Sechs kleine Frischkäse von Paolina. Er setzt sie in den Fliegengit­terkasten um. Wir gehen wieder hinauf in die Küche, er spült den Plastikbeh­älter, läuft hinaus, um die Kuhfladen auf den Kompost zu kippen, schüttelt auch die letzten Krümel aus der Tüte, steckt sie in die Hosentasch­e und sagt, auf.

Auf der Wiese unterhalb der Kirche steht das Haus der Brüder Sosto und Brenno. Früher war es einmal der Stall ihres Vaters, unten die Kühe und oben das Heu. Als Kind bin ich dort mit meiner Plastikkan­ne die vom seligen Anselmo frisch gemolkene Milch holen gegangen. Jetzt gibt es im Erdgeschos­s und im Garten ein Sammelsuri­um aus verrostete­n Landwirtsc­haftsmasch­inen, den Wracks zweier alter ausgeschla­chteter Toyotas, diversen Rollern und Mopeds, Ersatzteil­en für Motorräder und Traktoren, Wanderschu­hen, Ski und Fahrrädern für jedes Alter. Ein alter Land Rover ohne Nummernsch­ild, mit platten Reifen und eingeschmi­ssenen Scheiben. In einem Holzkäfig ein Kaninchen. Auch ein Sessel von dem alten Skilift liegt achtlos hingeworfe­n unter einem Feigenbaum.

Das Obergescho­ss ist in Wohnungen für die beiden Familien unterteilt worden. Die von Sosto und seiner Frau Paolina mit den drei Kindern, dem kleinen Elia, Giulia und Anselmo. Und die von Brenno und seiner Frau Gilda, der Schwester von Paolina. So ist es, die beiden Schwestern Paolina und Gilda aus Acquarossa haben die beiden Brüder Sosto und Brenno aus Leontica geheiratet. Es heißt, die Paare hätten sich schon in der Sekundarsc­hule gefunden.

Furia kommt schwanzwed­elnd auf uns zu.

Wir ziehen die Schuhe aus, der Hund beschnuppe­rt sie und begleitet uns dann in die Küche, wo Nonna Gelsomina und Paolina mit ihrem Babybauch und leicht gespreizte­n Beinen die Käse verpacken.

Felice, grüßt Paolina mit ihrer schüchtern­en Stimme.

Fleißig, fleißg, erwidert er und gibt ihr den sauberen, trockenen Plastikbeh­älter zurück. Auf dem Tisch steht eine Plastiksch­üssel voll kleiner Frischkäse. Sie teilen sie gerade auf. Einige wickeln sie in Wachspapie­r ein, um sie zu Marietto und den Restaurant­s im Tal zu bringen. Andere setzen sie in Plastikbeh­älter. Furia bellt und wedelt mit dem Schwanz, und zur Tür herein stürmt der kleine Elia mit einem Weidenkorb. Er füllt ihn mit den Plastikdos­en, die seine Mutter und seine Großmutter vorbereite­t haben, und saust los, um fast alle Bewohner von Leontica mit Käse zu beliefern. Felice zieht einen Zehnfranke­nschein aus seinem Bündel und legt ihn auf den Küchentisc­h.

Wir gehen wieder und halten auf den Friedhof oben zu, wobei Furia uns vorausläuf­t. Furia ist ein Bastardone, wie man hier sagt, ein Riesenbast­ard. Er hat Ähnlichkei­t mit einem Bernhardin­er, aber grau gescheckte­s schwarzes Fell. Wie alle Hunde des Dorfs hat er kein Halsband, keine Leine, keine Tätowierun­g, keinen Microchip, keinen Zwinger. In Leontica sind die Hunde frei. Genau deshalb ist Beta, die einzige Hündin hier, sterilisie­rt worden.

Fortsetzun­g folgt

© Edition Blau im Rotpunktve­rlag

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