Zukunftsstrategie wird vermisst
Haushaltsdebatte
Für die kommenden Jahre hätten die Fraktionen gern eine griffige rote Linie zur Stadtentwicklung. Das ließen sie in ihren Stellungnahmen zum Haushaltsplan erkennen.
Geringere Einnahmen, höhere Ausgaben: das ist für Bürgermeister Daniel Vogt die Ausgangslage für die Kommunalpolitik der nächsten Jahre. Bei der jüngsten Sitzung des Gemeinderats sagte Vogt, wo er seine Schwerpunkte sieht. Erster Punkt in seiner Rede: die Sanierung der Schulen im Bibris. „Gerne wären wir im Verfahren schon weiter“, räumte Vogt ein. Und noch ein klares Wort: Eine Modernisierung für 60 bis 70 Millionen Euro sei im Haushalt „nicht abbildbar“. Im Vorgriff auf die Klausurtagung des Gemeinderats deutete Vogt an, dass man mit weniger Neubauanteilen günstiger fahren könnte.
Nächstes Jahr möchte Vogt eine Kindergartenbedarfsanalyse erstellen lassen. Dabei geht es auch um die erforderlichen Investitionen in die Bausubstanz. 678 Betreuungsplätze gibt es derzeit.
Mindern möchte Vogt den Verkehrslärm. Ein Lärmaktionsplan soll helfen. „Insbesondere die Ortsdurchfahrten von Bissingen und Bolheim werden betrachtet.“Vogt will Verbesserungen erzielen. In Bolheim geht es auch um mehr Sicherheit für Radfahrer.
Wie schaut Herbrechtingen in zehn, fünfzehn Jahren aus? Diese Frage beschäftigt alle Fraktionen im Gemeinderat. Zwar ist die Ausgangslage im Haushaltsplan 2021 nach ihrer Überzeugung gut und dieser solide gerechnet – erwartet wird ein positives Ergebnis von 858 350 Euro – doch die Perspektiven sind es nicht. Kämmerer Thomas Diem sprach bei der Haushaltsdebatte des Gemeinderats am Donnerstagabend von einer in wenigen Jahren ins Haus stehenden Pro-kopf-verschuldung von 2000 Euro. Noch gilt die vom Gemeinderat gesetzte Obergrenze von 1000 Euro.
Für Martin Müller, den Sprecher der Freien Wähler, ist es deswegen an der Zeit, ein Stadtentwicklungskonzept erstellen zu lassen – nötigenfalls sogar mit externer Beratung. „Eine Vorstellung, wie sich Herbrechtingen überhaupt weiterentwickeln soll, fehlt uns noch gänzlich“, bekräftigte Walter Fuchslocher, der Sprecher der Spd-fraktion. Manfred Strauß, der Vorsitzende der Cdu-fraktion, sah dies nicht anders. „Manche Träume sind in weite Ferne gerückt. Deswegen sind Strategiesitzungen wichtiger als je zuvor.“Die fehlende Strategie ist für Strauß sogar das Hauptproblem in der Kommunalpolitik.
Zustimmung signalisierten die Fraktionen zu der von der Verwaltung geplanten Erhöhung der Grundsteuern und der Gewerbesteuer ab 2021. Bürgermeister Daniel
Vogt hatte dazu nochmals die Größenordnung aufgezeigt, in der man sich bewege. Grundstücksbesitzer hätten nach der Erhöhung der Grundsteuer mit Mehrkosten zwischen 15 und 30 Euro pro Jahr zu rechnen. „Das bedeutet eine Erhöhung um 5,4 Prozent.“Die Stadt generiere dabei Mehreinnahmen in Höhe von 300 000 Euro im Jahr.
Doch dies ist ein kleiner Betrag in Anbetracht der anstehenden Ausgaben. Starke Belastungen sah nicht nur Martin Müller durch die finanzielle Beteiligung an der Sanierung der Kläranlage Mergelstetten und die Sanierung der Tiefgarage im Buigen-center vorher. Und dabei, so Müller, habe man in Sachen Schulsanierung noch wenig bis gar nichts bewegt.
Zudem müssten weitere Baugebiete und Flächen fürs Gewerbe ausgewiesen werden. „Das kostet zunächst viel Geld.“
Manfred Strauß riet generell zur Vorsicht. Mit Bücherei, Hallenbad, VHS und der Musikschule habe man vier Einrichtungen, auf die man stolz sei, „die aber auch viel Geld kosten“. Diese Struktur zu erhalten, verlange die ganze Aufmerksamkeit.
Für Walter Fuchslocher ist es an der Zeit, dass die Expansion der Stadt in die Fläche ein Ende findet. „Wir müssen den ressourcenschonenden Umgang mit Natur in die praktische Politik umsetzen und den Flächenverbrauch reduzieren.“Land sei eben nicht vermehrbar. Unter diesem Gesichtspunkt sprach sich Fuchslocher gegen einen Edeka-markt im Vohenstein aus. Edeka habe schon innerorts zwei Bauruinen hinterlassen, nun biete die Stadt dem Konzern auch noch dieses Filetstück an. Für die Stärkung des Stadtzentrums wäre dies für Fuchslocher ein Rückschritt. Der Regionalverband spreche sein Veto zurecht aus.
Für die Bebauung des Liegelind-areals erinnerte Fuchslocher daran, dass die SPD einem Verkauf nur unter der Bedingung zugestimmt habe, dass hier sozialer Wohnungsbau verwirklicht werde. Hier solle günstiger Wohnraum für sozial schwächere Familien entstehen. Dieser Gedanke dürfe nicht verwässert werden.
Zwei Anträge von Martin Müller, dem Sprecher der Freien Wähler, stießen auf einmütige Zustimmung des Gemeinderats. So wird die Stadt 50 000 Euro für eine externe Beratung für ein Stadtentwicklungskonzept bereitstellen und 20 000 Euro für Vereine, die aufgrund der Pandemie-beschränkungen in finanzielle Schieflage geraten.
Manfred Strauß war grundsätzlich der Auffassung, dass Bürgermeister Daniel Vogt und die Verwaltungsspitze engeren Kontakt zu Vereinen und Geschäftsleuten halten sollten. Beigeordneter Diem verwies darauf, dass man derzeit wegen Covid 19 in wechselseitigem Einvernehmen mit Besuchen bei Unternehmen pausiere. Bürgermeister und Verwaltung hätten ein hohes Interesse an Kontakten und pflegten diese auch.
Mit Andreas Hof (Freie Wähler) und Dieter Mathes (CDU) deuteten zwei Stadträte an, dass sie wegen der Schuldenpolitik dem Haushalt nicht zustimmen werden.
Zwei Anträge