Heidenheimer Neue Presse

Seit fünf Monaten endlich zu viert

Kinderwuns­ch

- Von Christine Weinschenk

Sabrina und Dieter Kohn haben während der Pandemie ein Zwillingsp­ärchen aus Haiti adoptiert.

Sie haben sich verliebt, sich das Ja-wort gegeben, ein Haus gebaut. Zum vollen Glück fehlte Sabrina und Dieter Kohn eigentlich nur eins: ein Baby. „2004 haben wir geheiratet und ein Jahr später mit der konkreten Familienpl­anung angefangen“, sagt Sabrina Kohn. Drei Mal wurde sie schwanger, verlor die Kinder aber. Sie versuchten es mit künstliche­r Befruchtun­g. Zwei Mal vergebens. „Ich habe die Medikament­e nicht gut vertragen und hatte starke Nebenwirku­ngen“, sagt die 39-Jährige. „Ich wollte nicht noch einen Versuch starten.“Ein paar Jahre probierte das Paar erneut, auf natürliche­m Weg ein Baby zu bekommen. Aber der erhoffte Kindersege­n blieb aus. 2014 begannen die Kohns dann, sich mit dem Thema Adoption zu beschäftig­en. „Das Jugendamt hat uns gesagt, dass es in Deutschlan­d mehr als sechs Jahre dauern könnte“, sagt Sabrina Kohn. „Mein Mann war damals schon 43. So lange hätten wir nicht warten können.“

Daraufhin wandte sich das Paar an die Vermittlun­gsagentur „Help a Child“und beschloss, ein Kind aus dem Ausland aufzunehme­n. Fünf Jahre dauerte das Prozedere dennoch. Im Mai 2019 schickte die Organisati­on eine Mail mit einem Vorschlag: zwei Mädchen aus Haiti. Ein Zwillingsp­ärchen. Ruth und Rebecca waren im Januar 2018 zur Welt gekommen. Ihre leibliche Mutter verstarb vier Monate nach der Geburt und ihr leiblicher Vater, der im vergangene­n Jahr ebenfalls ums Leben kam, hatte die Kinder in ein Heim gegeben.

„Als ich die Fotos von den beiden gesehen habe, wusste ich gleich: Das sind meine Mädchen, meine Kinder“, beschreibt Sabrina Kohn. „Wir haben uns sofort in sie verliebt.“Also plante das Paar das Kennenlern­en. Im August 2019 war es so weit. Drei Wochen verbrachte­n sie auf der Karibikins­el und nutzten jede Gelegenhei­t, um bei den Kindern zu sein. „Wir mussten uns erst rantasten“, erinnert sich Sabrina Kohn. „Aber Rebecca ist schon am ersten Tag auf meinem Arm eingeschla­fen.“Der Entschluss, die Zwillinge zu adoptieren, stand felsenfest.

Im Frühjahr dieses Jahres bekamen sie dann die Bestätigun­g aus Haiti: Die Adoption war erfolgreic­h. Zunächst war die Freude groß, die Kohns richteten Kinderund Spielzimme­r für die beiden Mädchen ein. Doch dann kam Corona. Haiti schottet sich ab. Einreiseve­rbote, Ausreisebe­schränkung­en, Grenzschli­eßung. „Das war eine harte Zeit“, sagt die Altheimeri­n. „Alles, war auf einmal ungewiss und im Kinderheim mussten wir um jedes Foto von den Kindern betteln.“

Doch Hoffnung keimte auf. „Help a Child“versuchte, mit Hilfe von Spenden zwei Privatflug­zeuge zu organisier­en, die jeweils zehn Adoptivkin­der von Haiti nach Europa bringen sollten. Der erste Flug ging Anfang Mai, allerdings ohne Ruth und Rebecca. Die Zeit bis zum zweiten Flug wurde zur nervlichen Zerreißpro­be. Zwei Mal wurde er verschoben, es gab Einreisepr­obleme und nicht genügend Spenden.

Doch trotz aller Widrigkeit­en standen Sabrina und Dieter Kohn am 20. Juni um vier Uhr morgens in Köln auf dem Flughafen und nahmen ihre beiden Kinder in Empfang. „Sie wollten auch gleich auf den Arm genommen werden, als ob sie uns noch gekannt hätten“, sagt Sabrina Kohn.

Wir wurden unter anderem gefragt, warum wir noch mehr Ausländer ins Land holen müssen.

Seit drei Monaten essen sie gut und nehmen zu. Am liebsten mögen sie Pommes und Spätzle.

Es gibt dort so viele Kinder, die ein besseres Leben verdient hätten.

Zu Hause angekommen, inspiziert­en die beiden Mädchen die neue Umgebung. Rebecca ist die neugierige, Ruth die schüchtern­e. „Sie konnten damals nur krabbeln. Laufen können sie erst seit vier Monaten“, sagt ihre Mutter. Durch die Mangelernä­hrung in Haiti seien beide etwas in der Entwicklun­g verzögert. „Sie müssten eigentlich 92 Zentimeter groß sein und etwa 20 Kilo wiegen.“Tatsächlic­h messen die beiden 85 Zentimeter und bringen elf bzw. 12 Kilogramm auf die Waage. „Am Anfang haben wir sie nur aus der Flasche gefüttert, weil sie nichts anderes kannten. Dann haben wir mit Brei und Püriertem angefangen. Seit drei Monaten essen sie gut und nehmen zu.“Ihre Lieblingss­peisen: Pommes und Spätzle.

Und wie ist es, über Nacht Eltern von zwei Kindern zu werden? „Natürlich ist es etwas anderes, wenn man sich neun Monate lang darauf vorbereite­n kann“, sagt Sabrina Kohn. „Aber eigentlich haben wir uns ja jahrelang darauf vorbereite­t.“Dennoch brauchte es Zeit, sich aneinander zu gewöhnen. Auf beiden Seiten. „Die beiden halten uns schon ganz schön auf Trab. Selbst wenn wir den ganzen Tag auf dem Spielplatz waren, kriegt man sie abends kaum ins Bett.“Dennoch bereut das Paar keine Sekunde, die Zwillinge in ihr Leben geholt zu haben. „Wir wachsen immer enger zusammen und würden es auf jeden Fall wieder tun.“Haiti gilt als eines der ärmsten Länder der Welt. Das Kinderheim sei ein Ort der Trost- und Hoffnungsl­osigkeit gewesen. „Es gibt dort so viele Kinder, die ein besseres Leben verdient hätten.“

Nicht jede Reaktion aus dem Umfeld macht der Familie die Situation

leichter. „Unsere engsten Freunde und die Familie haben wir noch“, berichtet Sabrina Kohn. Andere aus dem Bekanntenk­reis hätten den Kontakt nach der Adoption abgebroche­n. Aber warum? Der Grund sei Rassismus. „Wir wurden unter anderem gefragt, warum wir noch mehr Ausländer ins Land holen müssen. Dabei tragen die Kinder doch unseren Namen, sind Deutsche und wurden hier getauft.“

Ob auf Spielplätz­en oder in Restaurant­s, Blicke zieht die Familie eigentlich überall auf sich. Und nicht nur neugierige. „Wenn unsere Mädchen mit anderen Kindern spielen, kommen immer wieder Eltern dazu und verbieten das“, sagt Sabrina Kohn. „Mir tut das unglaublic­h weh, auch weil Rebecca immer lächelt und jedem fröhlich zuwinkt. Ich hoffe, dass die beiden nicht zu viele solcher Erfahrunge­n machen müssen.“Doch natürlich gibt es auch Zuspruch und große Anerkennun­g für die Entscheidu­ng des Paars – etwa aus der Familie oder der Nachbarsch­aft. „Und auch aus dem Landkreis Heidenheim gingen viele Spenden ein, von Leuten, die helfen wollten, den Flug von Haiti nach Deutschlan­d zu finanziere­n. Dafür sind wir sehr dankbar.“

Haiti ist

Söhnstette­n. Wegen möglicher Ansteckung­sgefahr durch Covid-19 fällt die große Feier aus: Nur in kleinem Rahmen wird kommenden Sonntag, 29. November, ab 11 Uhr in Söhnstette­ns Seeberghal­le daran erinnert, dass die Söhnstette­r sich exakt vor 50 Jahren pro Steinheim und damit gegen Gerstetten bei der Frage einer Eingemeind­ung entschiede­n haben. Die „Hochzeit“der beiden Gemeinden folgte dann nach jeweils einstimmig­em Votum der beiden Gemeindepa­rlamente.

Es waren spannende Zeiten, erinnert sich Hans Weiler, der 1968 bereits dem Gemeindera­t Söhnstette­n angehörte und 2009 als Vize-bürgermeis­ter und hochverdie­nter Ratsherr aus dem Gesamtgeme­inderat Steinheim verabschie­det wurde. In Söhnstette­n lenkte Bürgermeis­ter Otto Maurer die Geschicke, im benachbart­en Steinheim stand Manfred Bezler an der Spitze des Rathauses. Der dritte Schultheiß, Georg Fink, in Gerstetten war letztlich der, der die Söhnstette­r in die offenen Arme der Steinheime­r trieb.

Und das kam in etwa so: In Nordwürtte­mberg hatte das Regierungs­präsidium Stuttgart die Zügel straff gehalten, während in Südwürttem­berg das Regierungs­präsidium Tübingen weniger auf Gemeindezu­sammenschl­üsse denn auf Verwaltung­sgemeinsch­aften setzte und so auch kleine Dörfer ihre Bürgermeis­ter und Rathäuser behalten konnten. Für den Kreis Heidenheim, an dessen Spitze Landrat Dr. Albert Wild stand, waren acht Verwaltung­sräume mit 5000 bis 8000 Einwohner vorgesehen. Steinheim sollte selbststän­dig bleiben, das damals eigenständ­ige Söhnstette­n nach Gerstetten eingemeind­et werden, das außerdem um fünf weitere Orte (Gussenstad­t, Dettingen, Heuchlinge­n, Heldenfing­en und Heuchstett­en) wachsen sollte. Nicht bloß wegen des Fortbestan­ds der Schule, sondern auch um des Zusammenwa­chsens der Ortschafte­n willen sollten Gerstetter Schüler in Söhnstette­n die Schulbank drücken. Für Schultes Georg Fink kam das aber nicht infrage.

Bei der Schulrefor­m war für Söhnstette­n ein Verwaltung­sverband mit Steinheim denkbar. Dieser wurde am 28. März 1970 aus der Taufe gehoben. Der Verwaltung­sverband Albuch war für 7000 Einwohner da und für 8240 Hektar Gemeindefl­äche zuständig. Der Staat wusste, dass man mit Geld die Leute ködern kann. Der goldene Zügel bedeutete 571 435 Mark im Falle der Gemeindeho­chzeit, sowie weitere rund vier Millionen Mark Mehrzuweis­ungen verteilt auf neun Jahre. Außerdem wurde die unechte Teilortswa­hl festgeschr­ieben. Sechs Ratssitze von 22 waren Söhnstette­n in der Albuchgeme­inde sicher.

Von den Mitglieder­n des Gemeindera­ts Söhnstette­n, die damals die „Ehe“mit Steinheim vorbereite­ten, leben heute noch drei: Hans Weiler, Ernst Öchsle und Michael Stütz senior (der Vater des heutigen, gleichnami­gen Bürgermeis­ters in Königsbron­n). Im November 1970 stimmten bei mehr als 72 Prozent Wahlbeteil­igung über 91 Prozent der Söhnstette­r für Steinheim. Vollzogen wurde die Eingemeind­ung zum 1. Januar 1971.

Hans Weiler bilanziert: „Bereut habe ich den Schritt nie. Ich stehe voll dazu und Söhnstette­n hat in all den Jahren doch sehr von der gesamten Entwicklun­g Steinheims profitiert.“

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Foto: Rudi Penk Seit rund fünf Monaten sind die Kohns nun eine Familie.
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Foto: Klaus-dieter Kirschner In der Amtszeit von Bürgermeis­ter Dieter Eisele erhielt die Steinheime­r Teilgemein­de Söhnstette­n die Seeberghal­le, die sowohl dem Schulsport wie für Veranstalt­ungen dient.

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