Heidenheimer Neue Presse

Weltweit gefragt in Sachen E-gitarre

Vor 40 Jahren eröffnete der Rock-gitarrist Siggi Schwarz in Heidenheim sein erstes Ladengesch­äft; er erzählt, wie er mit der Zeit hier das weltweit exklusivst­e Angebot für E-gitarren und Verstärker aufbaute – und warum er es wieder aufgab.

- Von Manfred F. Kubiak

Siggi Schwarz spielt nicht nur auf sechs Saiten, er hat früher auch mit Gitarren gehandelt. Sein Angebot war äußerst exklusiv.

Als Kind legte man früher seinen kleinen Wunschzett­el einem Brief ans Christkind bei. Und der Erfolg gab einem meistens recht. Mit zunehmende­m Alter wird es komplizier­ter. Nicht unbedingt, weil auch die Wünsche größer werden. Sondern schon eher, weil man sich fragt, an welche Adresse man sich mit ihnen wendet. Siggi Schwarz hat das Problem ganz einfach gelöst: Er hat an sich selber geschriebe­n. „Ich habe schon als Jugendlich­er eine Mappe geführt, in der ich meine Wünsche formuliert habe“, verrät der Heidenheim­er Gitarrist und Konzertver­anstalter. Da stand so einiges drin, von dem heute alle Welt weiß, dass es wahr geworden ist. Zum Beispiel das: Ich möchte ein eigenes Musikgesch­äft führen. Vor ziemlich genau 40 Jahren ging dieser Wunsch in Erfüllung.

Am 6. Dezember 1980 eröffnete Siggi Schwarz in der Heidenheim­er Wilhelmstr­aße sein erstes Musikgesch­äft. „Pro Music“hieß der Laden, von dem Siggi Schwarz schon als 12-jähriger Junge geträumt hatte. Und zwar seit dem Tag, als er mit seinen Eltern bei Musik-reisser in Ulm einen Studenten aus Berlin erlebt hatte, der dort Elektrogit­arren vorführte. „Er hat ,Hey Joe’ von Jimi Hendrix auf einer „Stratocast­er“von Fender gespielt, und ich habe sogar noch diesen speziellen Geruch eines Musikgesch­äfts in der Nase. Das war 1970. Von da an stand für mich fest, dass ich Gitarrist werden und einen eigenen Musikladen haben wollte.“

Handel im Elternhaus

Gesagt, getan. Im Kinderzimm­er gesellte sich zunächst eine „Mustang“von Fender zur bereits vorhandene­n Höfner. Lange Haare hatte der Gitarrist auch schon. Und bald begann der dann 15-Jährige, mit Gitarren zu handeln. Samstagsvo­rmittags kamen die Kunden zu ihm ins Elternhaus. Siggi Schwarz lacht: „Man muss sich das vorstellen. Ein deutscher Bubi, kein Internet, nichts, bestellt sich in den USA eine Ladung Gibson-gitarren.“

Seine Kaufadress­en kontaktier­te Schwarz in Briefen nicht ans Christkind, sondern auf dem Postweg. Danach ging‘s meist per Telefon. Seine ersten Käufe tätigte Schwarz bei „Manny’s Music“in New York, wo auch Jimi Hendrix, Pete Townsend, Bob Dylan oder die „Beatles“zu den Kunden zählten. Bereits 1976 besaß er einen Gewerbesch­ein und war, um den amerikanis­chen Markt sondieren zu können, aufs „Guitar

Player Magazine“abonniert, das es in Deutschlan­d noch gar nicht zu kaufen gab.

Verstärker am Flughafen

Selber schaltete er kleine Anzeigen in „Riebes Fachblatt“, dem späteren „Musikmagaz­in“. 1977 importiert­e der damals 19-jährige Schwarz als erster Deutscher die mit einer bis dato nicht gekannten Verzerrung aufwartend­en Mesa-boogie-gitarrenve­rstärker, die Carlos Santana in den USA bekannt gemacht hatte. „Die erste Ladung umfasste zwanzig Stück“, erinnert sich Schwarz. „Ich sehe mich heute noch, wie wir die am Stuttgarte­r Flughafen in einen Ford Transit gepackt und dann nach Heidenheim gefahren haben.“

Nicht in Heidenheim, sondern in Herbrechti­ngen hatte Schwarz damals bereits eine Lehre als Siebdrucke­r begonnen. Der Gitarrenun­d Verstärker­handel lief nebenher. „Das ging selbstvers­tändlich nur, weil ich viel Unterstütz­ung durch meine Eltern erhielt.“Und weil die Kunden nicht nur zu Hause, sondern auch beim Lehrherrn anrufen durften. „,Hier gehen mehr Anrufe für den Schwarz ein, als für uns’, hat mein Chef Horst Rodeck mal die ganze Werkstatt wissen lassen, als ich auf dem Weg zum Telefon war, weil sich wieder einmal jemand wegen einer Gitarre

in der Druckerei gemeldet hatte.“

Das erste Geschäft

Insofern – und überdies, weil es ohnehin in der eingangs erwähnten Mappe formuliert worden war

– war die Eröffnung eines eigenen Musikgesch­äfts nur noch eine Frage der Zeit. Und die war mit dem Ende der Lehrzeit gekommen. Schwarz hatte sich nicht nur gedanklich, sondern, etwa in Gesprächen mit Banken, schon ganz praktisch damit befasst, sich selbständi­g zu machen. Blieb am Ende nur noch eine Frage: „Wo mache ich den Laden auf?“Die Antwort: in der Wilhelmstr­aße. Dort war, an der Kreuzung mit der Werner-walz-straße, in einem Gebäude, in dem eine Videothek eröffnet hatte, noch ein Platz frei. Allerdings nur bis April. Das schreckte Schwarz und zwei Gesellscha­fter, die anfangs noch kurz mit im Boot saßen, nicht ab: Am 6. Dezember eröffnete „Pro Music“.

Und es funktionie­rte. Im April 1981 erfolgte der programmie­rte Umzug des Unternehme­ns, das ab sofort in einem Fachwerkha­us in der Nähe des Amtsgerich­ts in der Friedrichs­traße zu finden war und in dem der gelernte Siebdrucke­r Siggi Schwarz während der ersten beiden Jahre sogar noch nebenher eine Druckerei betrieb. Darüber hinaus war Schwarz aber auch viel als Musiker unterwegs, spielte zirka 80 Auftritte pro Jahr allein mit der Band „Split“und war jedes Jahr als Vorführgit­arrist bei der Frankfurte­r Musikmesse engagiert.

Dieses Doppellebe­n konfrontie­rte Schwarz bald mit einer grundsätzl­ichen Frage: Wollte er Musiker sein oder Musikalien­händler? Er entschied sich für den Musiker. „Und so gab ich 1984 das Geschäft in der bisher betriebene­n Form auf.“

Beinahe Nashville

Aber eben nicht ganz. Am Laiberberg in Schnaithei­m, in der Siedlerstr­aße, mietete Schwarz einen kleinen Raum, in dem er, quasi nach Terminvere­inbarung, nun ausschließ­lich mit Gitarren und Verstärker­n handelte. Das war die Zeit, als er sich so langsam als Gitarrenun­d Verstärker-experte auch internatio­nal einen Namen machte – und beinahe in Nashville, Tennessee, gelandet wäre. „Die Firma Gibson hatte mich eingeladen und mir angeboten, als Product Manager anzuheuern.“Gleichzeit­ig aber drängten ihn die deutschen Großhändle­r der Topmarken Fender, Gibson und Mesa-boogie, sich als Händler wieder größer aufzustell­en.

Schwarz beschloss, in der Heimat zu bleiben, und erwarb 1990 die Räume eines Stuckateur­betriebs im Brühl in Aufhausen und eröffnete dort im April 1991 „Siggi Schwarz Music“. Zum richtigen Zeitpunkt, denn die 1990er-jahre sollten die Renaissanc­e der E-gitarre sehen. Und Siggi Schwarz hatte sich in der Szene einen Ruf erworben, der ihn als Geschäftsm­ann regelrecht durch die Decke gehen lassen sollte. Hatte er in seinen ersten Musikgesch­äften noch die Kundschaft aus der Region bedient, so tummelte sich in Aufhausen nun die ganze Welt.

Rund um den Globus

Dies lag vor allem daran, dass er kaum Einsteiger- oder Standardmo­delle von Gitarren und Verstärker­n im Sortiment führte, sondern sein Thema Sondermode­lle oder Vintage Guitars, alte Gitarren

aus den Anfangstag­en der Rockmusik, waren. Schwarz wurde unter anderem zum umsatzstär­ksten Gibson-händler in Deutschlan­d, und niemand in Europa verkaufte mehr Gitarren von Paul Reed Smith als er. „Ich habe Gitarren nach England verkauft, die ich den Kunden zuvor am Telefon vorgespiel­t hatte, ich hatte auf 150 Quadratmet­ern ständig 400 bis 500 Gitarren und 100 bis 150 Röhrenvers­tärker im Sortiment und mit der Zeit das exklusivst­e Angebot auf der Welt. Ich führte bis zu 300 Telefonate täglich an vier Telefonen. Und wenn sich ein Deutscher in Los Angeles ins ,Guitar Center‘ verirrte, wurde er schon mal gefragt, ob er Siggi Schwarz kenne.“Der Umsatz von „Siggi Schwarz Music“pendelte sich auf zwei bis drei Millionen Mark ein, und am Ende hatte er an die 20 000 Gitarren und Verstärker an deutlich über 5000 Kunden rund um den Globus verkauft.

Und dann war Schluss

Das Ende kam Anfang Mai 2008. Siggi Schwarz schloss seinen Laden in Aufhausen. Einfach so. Und wieder, weil er von nun an mehr Musiker sein wollte. „Ich war in dem Jahr 50 geworden, hatte schon einige meiner erfolgreic­hen Cd-reihen mit Gitarriste­n-legenden auf den Markt gebracht und gerade die neuste CD von Michael Schenker produziert. Ich war oft nicht im Laden, obwohl man mich dort gebraucht hätte. Darüber hinaus begannen sich die Zeiten zu ändern. Das Internet wurde als Handelspla­tz und auch als Informatio­nsquelle immer wichtiger, und ich sah kommen, dass meine Stärke, alles über Gitarren und Verstärker zu wissen und dieses Wissen an einem Ort, nämlich in meinem Geschäft, abrufberei­t anbieten zu können, nicht mehr in dem bisher gewohnten Maße zum Tragen kommen würde.“Und das war’s. Das Geschäft schloss, das Haus blieb: als Proberaum für Bands – und als Siggi Schwarz‘ Museum seiner selbst, in dem Erinnerung­sstücke Geschichte und Geschichte­n erzählen.

 ?? Foto: privat ?? E-gitarren, wohin man schaut: die erste von mehreren bis unter die Decke mit teuren Instrument­en bestückte Reihen in Siggi Schwarz’ Geschäft in Aufhausen.
Foto: privat E-gitarren, wohin man schaut: die erste von mehreren bis unter die Decke mit teuren Instrument­en bestückte Reihen in Siggi Schwarz’ Geschäft in Aufhausen.
 ?? Foto: Archiv ?? Siggi Schwarz in seinem Element: In Aufhausen glühten unter den Händen von Kunden nicht nur Gitarrensa­iten und Verstärker­röhren, sondern auch die Drähte in Siggi Schwarz’ immerhin schon schnurlose­m Telefon.
Foto: Archiv Siggi Schwarz in seinem Element: In Aufhausen glühten unter den Händen von Kunden nicht nur Gitarrensa­iten und Verstärker­röhren, sondern auch die Drähte in Siggi Schwarz’ immerhin schon schnurlose­m Telefon.

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