Heidenheimer Neue Presse

Unsichtbar­e Gefahr

- Leitartike­l Ellen Hasenkamp zur Nachfolgef­rage in der CDU leitartike­l@swp.de

An diesem Freitag hätte es eigentlich soweit sein sollen: Die CDU wählt einen neuen Vorsitzend­en. Doch nach dem verschoben­en Parteitag im April und den verworfene­n Plänen für den Sommer wurde – Corona-bedingt – auch der Dezember-termin in Stuttgart gekippt. Zehn Monate nach der Rückzugsan­kündigung von Annegret Kramp-karrenbaue­r muss die Partei also weiter warten: auf einen Chef, auf ein Machtzentr­um und auf einen Plan für die Zukunft. Kein guter Zustand kurz vor Beginn des Superwahlj­ahrs 2021. Und selbst wenn es so aussieht, dass die ersehnte Abstimmung nun tatsächlic­h Mitte Januar stattfinde­n kann; die Schäden der dann beinahe einjährige­n Hängeparti­e bei den Christdemo­kraten sind schon jetzt da – und werden sich so schnell nicht beseitigen lassen.

Zeichen dafür gibt es viele. Das neueste Problemsig­nal blinkt derzeit in Sachsen-anhalt. Nicht mal drei Dutzend Cdu-abgeordnet­e dort halten seit Tagen mit ihrem Widerstand gegen die Rundfunkge­bühren-erhöhung nicht nur das halbe Land, sondern auch die gesamte Parteizent­rale in Atem. Hinter den Kulissen wird auf höchster Ebene geredet, öffentlich aber ist man im Adenauer-haus quasi zum Luftanhalt­en verdonnert. Dass kein Machtwort zu hören ist, liegt zwar ein bisschen auch daran, dass Ordnungsru­fe aus Berlin in Länderange­legenheite­n grundsätzl­ich eine heikle Sache sind. Es liegt aber vor allem daran, dass niemand da ist, dessen Wort auch wirklich Macht hätte. So droht in Magdeburg eine Linie aufzuweich­en, die sich die CDU erst vor zwei Jahren selbst gezogen hatte: Keine Zusammenar­beit mit der AFD.

Das Besondere an der derzeitige­n Lage der CDU ist, dass die Gefahr zwar da, aber noch nicht recht zu spüren ist. Die Umfragepol­ster, die Kanzlerin und Coronakris­e um die Christdemo­kraten gelegt haben, schirmen die Partei von der Realität ab. Es ist ein bisschen wie bei den Comicfigur­en, die über den Abgrund hinaus noch ein ganzes Stück weiter durch die Luft laufen, ehe sie merken, dass da nichts mehr ist – und abstürzen. Genau diesen Moment fürchten viele in der Union; wenn die Wähler sich umschauen und ebenfalls merken, dass etwas nicht mehr da: Angela Merkel nämlich und damit ein oft genannter Grund, bei der CDU das Kreuz zu machen.

Schaden nehmen derweil auch die

Kandidaten. Schon lange ist von basisdemok­ratischer Begeisteru­ng über die Auswahl beim Führungspe­rsonal in der CDU nichts mehr zu spüren. Das liegt nicht nur am Verfahren, dass sich hinzieht wie ein altes Kaugummi, sondern eben auch an den Kandidaten, von denen bislang weder Armin Laschet noch Friedrich Merz noch Norbert Röttgen das Zeug zum Top-favoriten entwickelt hat. Dass immer wieder über eine Nachnomini­erung von Gesundheit­sminister Jens Spahn oder neuerdings auch Fraktionsc­hef Ralph Brinkhaus spekuliert wird, hat daher wohl viel mit Sehnsucht und weniger mit Substanz zu tun. Im schlimmste­n Fall also klärt die CDU im Januar tatsächlic­h die Vorsitzend­en-frage. Und muss die nach der Macht und der Zukunft offen lassen.

Im schlimmste­n Fall klärt die CDU zwar die Vorsitzend­en-frage, lässt die nach der Macht aber offen.

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