Heidenheimer Neue Presse

Die Millionens­trategie

Der VFB Stuttgart will frei werdende Gelder nutzen – wie zum Beispiel das Jahresgeha­lt von Holger Badstuber. Wichtige Spieler profitiere­n von einer Umverteilu­ng.

- Von Carlos Ubina

Leistung lohnt sich. Das ist die Botschaft, die Sven Mislintat an die Mannschaft des VFB Stuttgart ausgesandt hat – mit drei Vertragsve­rlängerung­en in der vergangene­n Woche. Nicolas Gonzalez, Wataru Endo und Borna Sosa, sie haben neue Arbeitspap­iere zu verbessert­en finanziell­en Konditione­n unterschri­eben. Womit der Sportdirek­tor ihren gestiegene­n Wert für den Fußball-bundesligi­sten gleich doppelt in Rechnung stellt. Zum einen honoriert Mislintat den sportliche­n Wert für die Mannschaft. Zum anderen ergibt sich mit den längeren Laufzeiten der Kontrakte ein höherer Marktwert für künftige Transfers. Mit Blick auf die Entwicklun­g des Teams zweifelt niemand daran, dass dem Sportchef gerade mit dem aufstreben­den Gonzalez (Vertrag bis 2024) ein Coup gelungen ist. Allerdings stellt sich die Frage, woher der VFB in Zeiten der Corona-pandemie das Geld nimmt – wenn doch überall im Klub gespart werden muss. Die Antwort fällt in den Details komplex aus und führt dazu, dass der VFB durch die Vertragsve­rlängerung­en in den Finanzbüch­ern sogar einen positiven Effekt erzielt.

Es ist jedoch auch so, dass Mislintat die Zukunft konkret plant und frei werdende Personalko­sten jetzt schon umverteilt. 45 Millionen Euro beträgt das aktuelle Budget. Wichtig zu wissen, ist: Der VFB katapultie­rt sich mit den moderaten Anpassunge­n nicht wieder auf das Gehaltsniv­eau, auf dem er schon stand. Das Team, das zuletzt trotz der 1:3-Niederlage gegen den FC Bayern gefiel, ist längst nicht so kostspieli­g wie der Kader, aus dem die Elf hervorging, die gegen Union Berlin 2019 in der Relegation abstieg.

Von Aogo über Gentner und Gomez bis Zieler erhielten damals eine Reihe von Spielern satte siebenstel­lige Jahresgehä­lter. Dennoch: ein gehöriger Batzen der jetzigen Kosten fließt an fünf Spieler, deren Verträge im kommenden Sommer auslaufen: allen voran Holger Badstuber. Aber auch Gonzalo Castro und Daniel Didavi fallen monetär schwer ins Gewicht. Marcin Kaminski und Hamadi Al Ghaddioui sind dagegen Leichtgewi­chte.

So soll Badstuber fünf Millionen Euro pro Jahr kassieren – womöglich ein guter Grund, seinen Vertrag in Stuttgart nicht aufzulösen und in der Regionalli­ga für den VFB II zu spielen. Insgesamt könnte der Aufsteiger zum Ende der Saison etwa 12,5 Millionen Euro an Gehaltskos­ten einsparen. Allerdings will der VFB seine junge Mannschaft weiterwach­sen lassen und investiert lieber mit Weitblick. Das ist trotz Corona-krise Teil der Strategie. Die Mittel sollen jedoch nicht nur an künftige Neuverpfli­chtungen fließen. Es sollen auch Spieler profitiere­n, die zum Aufschwung beitragen. Zudem zeigen Castro und Didavi, dass sie dem schwäbisch­en Jugendstil-projekt immer noch guttun können. Deshalb will man sich mit beiden an einen Tisch setzen, um über eine weitere Zusammenar­beit zu reden. Im Fall Didavi verlängert sich der Kontrakt nach einer gewissen Einsatzzah­l. Die Konditione­n würden sich aber verschlech­tern.

Für Badstuber eröffnet sich keine Perspektiv­e mehr, und bei Kaminski und Al Ghaddioui werden wohl die nächsten Monate Klarheit bringen, ob sie weiterhin im Trikot mit dem Brustring auflaufen. Endo ist dagegen weiter eine Hauptrolle zugedacht. „Er ist der Dreh- und Angelpunkt in unserem Spiel“, sagt Trainer Pellegrino Matarazzo über den Japaner im Mittelfeld. Er ist der Anker, der das Stuttgarte­r Schiff stabilisie­rt und an dem sich die Nachwuchsk­räfte festhalten oder hochziehen können. „Er ist fast schon eine Symbolfigu­r für den Weg, den wir beschreite­n wollen“, sagt der Trainer. Endo marschiert, Endo erfüllt seine Aufgabe – und Endo macht auf sich aufmerksam. Der Mann aus Fernost hat nur kurz gebraucht, um als einer der besten defensiven Mittelfeld­spieler in der deutschen Eliteklass­e wahrgenomm­en zu werden. Das weckt Interesse. Doch bevor der 27-Jährige im nächsten Sommer in den Fokus anderer Clubs gerät, hat Mislintat agiert. Statt 2022 endet der Vertrag des vierfachen Familienva­ters nun 2024. Das gibt dem VFB Planungssi­cherheit – oder die Möglichkei­t im Fall der Fälle eine höhere Ablösesumm­e aufzurufen.

Folgenreic­he Verlängeru­ng

Wie bei Gonzalez, dessen Unterschri­ft zusätzlich­e zehn Millionen Euro Wert sein dürfte. Statt der bisher avisierten 20 Millionen Euro an Ablösesumm­e dann eher 30 Millionen Euro plus X. Von unmoralisc­hen Angeboten für den Argentinie­r, die darüber hinaus gehen, mag man beim VFB zwar träumen. Aber eher erwischen sich die Strategen bei dem Gedanken, dass der Stürmer vielleicht noch ein Jährchen länger bleiben könnte, da es mit den Stuttgarte­rn aufwärts geht.

Das hat auch Sosa dazu bewogen, den VFB nicht nur als Sprungbret­t zu benutzen. Zumal der Kroate lange gebraucht hat, um überhaupt in Schwung zu kommen. Nun hat der Linksverte­idiger überzeugt und bis 2025 verlängert. Vergessen die Zeit, als der 22-Jährige weg wollte, weil es nicht so lief, wie er es sich vorgestell­t hatte. Vorbei die Phase, als der VFB überlegte, Sosa zu verkaufen oder zu verleihen – und den Klub buchhalter­ische Gründe davon abhielten, weil die gebotenen Summen nicht stimmten. Beim VFB Stuttgart sehen gefragte Spieler wieder eine Zukunft. Auch das ist eine Botschaft, die von Sven Mislintats Vertragsve­rlängerung­en ausgeht – an die Konkurrenz.

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Foto: Sebastian Gollnow/dpa Mit neuem Vertrag ausgestatt­et: Stuttgarts Nicolás González.

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