Black Lives Matter und die Kunstwelt
Die neue Liste der „Power 100“sorgt wieder für Überraschungen – eine Protestbewegung steht im Corona-jahr an der Spitze.
Erstmals steht eine Menschenrechtsbewegung auf Platz eins des globalen Kunstrankings „Power 100“. Die internationale Bewegung Black Lives Matter führt im Corona-jahr die vom britischen Kunstmagazin „Artreview„ veröffentlichte Liste der einflussreichsten Persönlichkeiten und Bewegungen der aktuellen Kunst an.
Natürlich hätte es sich die 20-köpfige anonyme Jury auch einfach machen und Corona auf Platz eins hieven können. Denn das Virus, das weltweit mit tödlicher Kraft unterwegs ist, hat auch den Kunstbetrieb erschüttert: Museen sind im Lockdown geschlossen, fast alle Kunstmessen wurden abgesagt, Künstler kämpfen um ihre Existenz, Galerien verlieren an Einfluss.
Doch mit Black Lives Matter auf Rang eins macht die Jury klar, dass es im Kunstbetrieb immer noch stärkere Einflüsse gibt als ein Virus. Der gewaltsame Tod des Afroamerikaners George Floyd im Mai durch brutale Polizeigewalt habe Proteste in der ganzen Welt ausgelöst, schreibt „Artreview“.
Denkmäler wurden gestürzt, Straßen wurden umbenannt. Zeitgenössische afrikanische Künstler werden sichtbarer. Galerien diversifizieren eilig ihr Programm. Auch in Museen, bei Ernennungen und Auszeichnungen ist nach Ansicht der Jury der Einfluss zu spüren. Black Lives Matter sei eine „globale Abrechnung“mit rassistisch motivierter Diskriminierung und habe zu einem
„Paradigmenwechsel in der aktuellen Kultur“geführt.
Nicht weniger interessant ist der Blick auf Platz zwei: Dorthin stieg das indonesische Künstlerkollektiv ruangrupa auf, das die Kasseler documenta im Jahr 2022 kuratiert. An ruangrupa werden aktuelle Trends deutlich: Der Blick der Kunst geht weg von Europa. Und der Teamgedanke wird immer wichtiger – weg vom einzelnen Künstler oder Kurator hin zu Kollektiven.
Europäische Künstler kommen in den „Power 100“kaum vor. Aber unter ihnen sind immerhin gleich zwei Deutsche: die Medienkünstlerin Hito Steyerl auf Platz 18 und der Fotokünstler Wolfgang Tillmans auf Rang 23.