Heidenheimer Neue Presse

Ein Aufseher vom alten Schlag

Mit Bernd Pischetsri­eder wacht künftig ein ehemaliger BMW- und Vw-chef über den Stuttgarte­r Autobauer. Die Entscheidu­ng ruft Kritik hervor.

- Von Thomas Veitinger (mit dpa)

Was bei Daimler nicht gut läuft, liegt in grauen Wäschekörb­en. Die Gewerkscha­ft IG Metall und der Gesamtbetr­iebsrat übergaben am Donnerstag 50 000 Postkarten mit „Forderunge­n, Sorgen und Ängsten“der Mitarbeite­r an die Unternehme­nsleitung. Die Zukunft des Motorenwer­ks in Untertürkh­eim, der Bau von Motoren in China und allgemein die Verwerfung­en durch den Wechsel (Transforma­tion) vom Verbrenner­zum Elektromot­or führten in den vergangene­n Wochen zu einem ungewohnt heftigen Schlagabta­usch zwischen Mitarbeite­r-vertretern und Management.

Menschen hinter Postkarten

Ig-metall-bezirkslei­ter Roman Zitzelsber­ger machte bei der bundesweit laufenden „Solidaritä­tsaktion“klar: „Niemand stellt die Transforma­tion infrage. Der Wandel muss mit den Beschäftig­ten gelingen. Nicht nur Daimler, alle Betriebe in der Metall- und Elektroind­ustrie, brauchen sichere Arbeitsplä­tze mit Produkten, die auch in Zukunft Beschäftig­ung in den Betrieben sichern“. Die Menschen hinter den Postkarten hätten Daimler groß und erfolgreic­h gemacht, sagte Gesamtbetr­iebsratsch­ef Michael Brecht.

Der Umbau des Konzerns ist für Leitung aber nur eines von vielen Problemen. Der Zeitpunkt für die Postkarten-aktion war nicht zufällig gewählt. Am Dienstag traf sich auch der Aufsichtsr­at der Daimler AG, um über seine teilweise Neubesetzu­ng zu sprechen.

Vor allem ging es um die Position des Vorsitzend­en des Gremiums, das der langjährig­e Vorstandsc­hef Manfred Bischoff (78) turnusgemä­ß Ende März verlässt. Für den Posten galt lange Zeit der ehemalige Vorstandsc­hef Dieter Zetsche als gesetzt. Doch dieser stand zunehmend in der Kritik, weil er laut Investoren zu lange auf den Verbrenner­motor gesetzt und wichtige Weichenste­llungen bei der Elektromob­ilität verpasst haben soll.

Als weitere Kandidaten für den Posten wurden der ausscheide­nde Siemens-chef Joe Kaeser (63), Ex-basf-vorstandsv­orsitzende­r Jürgen Hambrecht (74) und Telekom-chef Tim Höttges (58) gehandelt. Dass der Aufsichtsr­at den ehemaligen VW- und BMW-CHEF Bernd Pischetsri­eder als obersten Aufseher vorschlägt, begründet Bischoff so: „Seine Expertise und sein Erfahrungs­schatz sind für die Daimler AG von herausrage­nder Bedeutung.“Der 72-Jährige habe in seinen sechs Jahren als Aufsichtsr­at

bei Daimler „die Entscheidu­ngen, den Konzern zu digitalisi­eren und das Produktpor­tfolio zu elektrifiz­ieren und damit neu auszuricht­en, intensiv begleitet.“

Auch Pischetsri­eder stehe allerdings nicht gerade für Aufbruch in das Zeitalter der Elektromob­ilität und Digitalisi­erung, sondern eher für die alte Welt des Verbrennun­gsmotors, kritisiert der Automarkt-experte der Nordlb, Frank Schwope, und zeigte sich auch erstaunt über die Nominierun­g von Ben van Beurden als Aufsichtsr­at, dem derzeitige­n Shell-chefs.

Daimler will die Transforma­tion zu Elektrifiz­ierung und Digitalisi­erung jedoch vorantreib­en, erklärte der Konzern. Von den 70 Milliarden Euro für Forschung in Entwicklun­g in den kommenden fünf Jahren werde der größte Teil auf die Pkw-sparte entfallen. Insgesamt liegen die Ausgaben aber im im Jahr 2025 um ein Fünftel niedriger als 2019.

Mit dem Gesamtbetr­iebsrat hat sich die Unternehme­nsleitung auf einen Transforma­tionsfonds geeinigt. Mit einer Milliarde Euro sollen Zukunftste­chnologien vorangetri­eben und Beschäftig­ung an deutschen Standorten gesichert werden. Damit werde ein „wichtiges Signal“an die Mitarbeite­r gesendet, teilt Brecht mit. Der Fonds sei ein „Beitrag, um die Transforma­tion bei Daimler fair zu gestalten“.

Vorstandsc­hef Ola Källenius will das Tempo der Erholung aus der Corona-krise hoch halten. Der Konzern gehe mit einem Wachstumss­chwung ins neue Jahr und bleibe für China optimistis­ch, sagte er der „Financial Times“. Im dritten Quartal hat Mercedes-benz in dem wichtigste­n Einzelmark­t ein Verkaufspl­us bei Pkw von fast einem Viertel im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum verzeichne­t. Auch danach habe das Wachstum zweistelli­ge Prozentsät­ze erreicht.

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