Heidenheimer Neue Presse

Meine Gartenwelt: Dezember

- Helga Schneller Gartenauto­rin

Endlich einmal Zeit zum Faulenzen! Der Garten liegt in winterlich­er Ruhe. Nun gut, das mit dem winterlich­en Weiß ist eher Schnee von gestern, eine romantisch­e Reminiszen­z an Zeiten, als es noch richtige, glitzernde Winter gab. Inzwischen müssen wir uns meist mit den verschiede­nsten Grautönen begnügen. Mangels knackiger Minusgrade lebt inzwischen so manche Gartenpfla­nze nach dem Motto „es wird durchgeblü­ht“! Ein Blick in meine letztjähri­gen Kalenderno­tizen offenbart: Am 22. Dezember Kürbissupp­e gekocht und mit frisch gepflückte­n Gänseblümc­henund Ringelblum­enblüten dekoriert. Werden wir in Zukunft immer öfter unser grünes Weihnachts­wunder erleben?

Bevor ich die Hände in den Schoß lege, rekapituli­ere ich, ob ich sämtliche Gartenarbe­iten termingere­cht erledigt habe. Und alle Jahre wieder versage ich an mindestens einem Punkt. Gartenzeit­schriften empfehlen unisono bei den herbstlich­en Aufgaben: Gartengerä­te reinigen, Gartensche­ren zerlegen, ölen und wieder zusammenba­uen. Oha! Das könnte mangels meiner feinhandwe­rklichen Fähigkeite­n gehörig schiefgehe­n. Das Schneidewe­rkzeug überlasse ich im Frühjahr lieber dem Fachmann (wenn ich es nicht wie die letzten fünf Jahre vergesse). Und der Spaten wird wegen meiner nicht vorhandene­n Motivation wieder mit Erdresteve­rzierung überwinter­n.

Magischer Fixpunkt

Auf einen Tag freue ich mich im Dezember immer ganz besonders: den 21., die Wintersonn­enwende. Sie ist wie ein magischer Fixpunkt. Wir sind am Bodensatz der Dunkelheit angekommen. Nun geht es wieder bergauf, auch wenn wir es noch lange nicht merken. Traditione­ll wird in der längsten Nacht und in der Weihnachts­zeit mit duftenden Kräutern und Harzen geräuchert. Glimmende Bündel mit Beifuß, Lavendel, Salbei und Johanniskr­aut trugen schon unsere Vorfahren durch Haus und Stall und erhofften sich dadurch Schutz und Segen fürs kommende Jahr. Ich verziehe mich mit Kerzen, Fackeln und Räuchersch­ale am Abend der Wintersonn­enwende in den Garten. Räuchern in der Wohnung ist angesichts naserümpfe­ndem Ehemann und Kind verboten. Draußen aber – nur mit den beiden Kaninchen als Zeugen – lasse ich nach Herzenslus­t Rauchzeich­en in den Himmel steigen. Archaisch und erhebend fühlt sich dieses Räucherrit­ual an, und ich hoffe, dass die Kraft der Pflanzen auch die ganze Armada moderner Dämonen in die Flucht schlagen wird.

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