Neuer Demokratie-helfer gesucht
Nach zwölf Jahren gibt Dr. Dr. Hermann Schweickert sein ehrenamtliches Engagement bei der Lebenshilfe auf. Nun wird ein neuer Assistent für den Werkstattrat gesucht.
Demokratie? Wer diesen Begriff erklären will, braucht viele Worte – oder einen Rahmen, in dem die dazugehörigen Abläufe, Werte und Umgangsformen erlebbar werden. Mit der Änderung der Werkstätten-mitwirkungsverordnung wurde dafür in Werkstätten für behinderte Menschen vor drei Jahren eine Grundlage geschaffen. Hatten Werkstatträte bis dahin nur Mitwirkungsrechte, sind sie inzwischen mit Betriebsräten nahezu gleichgestellt.
Hauptrolle statt Nebenrolle, nicht nur angehört werden, sondern aktiv gestalten, das ermöglicht das seit dem Jahr 2017 geltende Mitbestimmungsrecht. Zudem sollen externe Demokratie-helfer eingesetzt werden. Sie unterstützen bei Diskussionen über Urlaubsregelungen oder Gehälter, sie machen auf Benachteiligung oder Fortbildungsmöglichkeiten aufmerksam, sie helfen, Forderungen oder Anschreiben zu formulieren und begleiten zu Besprechungen.
Platz zwischen den Stühlen
Die Heidenheimer gemeinnützige Werkstätten und Wohnheime Gmbh wartete die Neuerung damals nicht ab. Schon 2015 wurde nach einer Vertrauensperson gesucht, die dem Werkstattrat als Mutmacher zur Seite gestellt werden könnte. Geschäftsführer Kurt Wörrle sprach Dr. Dr. Hermann Schweickert an. Der engagierte sich zu diesem Zeitpunkt schon seit Jahren als ehrenamtlicher Betreuer und verfügte nach 35 Jahren Berufserfahrung bei Voith zudem über ein hohes Maß an Menschenkenntnis.
Hermann Schweickert: „Mir war klar, dass ich gewissermaßen zwischen den Stühlen sitzen würde. Aber ich stimmte sofort zu. Von da an war es meine Aufgabe, die behinderten Menschen zu ermutigen, ihre Meinung angstfrei zu äußern. Mit mir als Assistenz hatte diese Aufforderung ein ganz anderes Gewicht als eine ausgesprochene Bitte allein.“Besonders positiv sei ihm schon nach kurzer Zeit aufgefallen, dass der direkte Zugang zur Geschäftsleitung jederzeit frei war. Niemand habe eine Hierarchie durchwandern müssen, bis er gehört wurde.
Der Werkstattrat um Klaus Portofee fühlte sich bei Hermann Schweickert sofort in guten Händen: „Hermann war für unsere Anliegen immer erreichbar. Er hat uns viele Tipps gegeben für Themen, bei denen wir uns nicht so gut auskannten. Er hat uns geholfen, Probleme zu lösen und er hat bei Streitigkeiten vermittelt.“Als Beispiele nennt der Vorsitzende des Werkstattrates die Beseitigung von Stolperfallen auf einem Verbindungsweg, Anliegen in Sachen Arbeitssicherheit und die Einbindung der behinderten Menschen bei den Planungen für das neue Wohnheim in Giengen.
Auch aus Sicht von Werkstattleiter Ingomar Kieback klappte das Miteinander mit Hilfe dieses neutralen Mittlers von Monat zu Monat besser. Die Zusammenarbeit
mit dem Werkstattrat gestalte sich inzwischen deutlich intensiver: „Es gibt nicht mehr nur ein Ja, ein Nein oder ein Egal. Wir sind auf Augenhöhe, die Leute trauen sich wesentlich mehr zu.“
Der ehemalige Voith-hauptabteilungsleiter bekam zur Aufnahme dieses Ehrenamtes einen Zettel, auf dem Anforderungen und Aufgaben aufgelistet waren. Moderator sollte er sein, Erwachsenenbildner, Fürsprecher, Ideenmotor. Mutig sollte er sein und fair, reflektiert, selbstbewusst. „Am Ende stand: und vieles mehr. Die allermeisten Dinge, die ich in dieser Zeit zu tun hatte und sein sollte, sind mit dieser vagen Formulierung treffend beschrieben“, so Schweickert. So wohnte er unter anderem den monatlichen Sitzungen mit der Geschäftsleitung bei und den halbjährlichen Treffen der Werkstatträte aus der Region, er regte zu gemeinsamen Aktivitäten an, half bei der Vorbereitung für den Jahresbericht und freute sich über Gespräche abseits dieses offiziellen Rahmens. Auch die Berücksichtigung sämtlicher Interessen, von Kollegen über den begleitenden Dienst bis hin zu den Angehörigen, habe viel Zeit in Anspruch genommen.
Dass er sich nach insgesamt zwölf Jahren im Ehrenamt und gut vier Jahren „Assistenzleistung“aus der Lebenshilfe verabschiedet, ist seiner Gesundheit geschuldet: „Ich habe diese Aufgabe stets als Zeichen meines Respekts gegenüber Menschen mit Behinderung gesehen. Ziel war, sie heranzuführen an die Wahrnehmung ihrer Rechte.“Kurt Wörrle verbindet seinen offiziellen Dank an Dr. Dr. Hermann Schweickert mit dem Wunsch, für diesen bald einen Nachfolger zu finden: „Grundsätzlich geht es darum, nicht zu bevormunden, sondern zu unterstützen. Wir suchen deshalb einen Menschen mit Lebenserfahrung und Kompetenz, der in der Lage ist, sein Eigeninteresse außen vor zu lassen.“
Ich ermutigte sie, ihre Meinung angstfrei zu äußern.
Dr. Dr. Hermann Schweickert
Zur Übernahme der Hotels:
Zu den kürzlichen Hotelübernahmen der Stadtwerke Heidenheim ging mir noch Folgendes durch den Kopf: Angenommen, die Geschäfte in diesen Beherbergungsbetrieben hätten gebrummt, sie hätten gut Geld abgeworfen – hätte dann irgendjemand der Betreiber die Allgemeinheit gefragt: Wollt Ihr ein bisschen abhaben, uns geht es so gut, oder vielleicht eine kleine Beteiligung? Doch das ist eine völlig absurde Vorstellung, so läuft das nicht.
Es kommt mir hier, ob ich will oder nicht, die abgedroschene linke Kritikformel am Neoliberalismus wieder in den Sinn: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren. Das ist ein ziemlich alter Trick; aber er klappt doch noch hervorragend, wie man sieht.