Heidenheimer Neue Presse

Heidenheim­s Stadtbild mit geprägt

Erfrischen­d präsentier­te das Mandelring-quartett „Österreich-ungarn“auch wenn die Musik nur per Livestream erlebt werden konnte.

- Von Marita Kasischke

Der Bildhauer Franklin Pühn ist im Alter von 95 Jahren gestorben. Sieben Jahrzehnte war er künstleris­ch aktiv.

Meisterkon­zerte kennt man ja bislang so: Man macht sich zurecht, fährt zur Waldorfsch­ule, gibt die Jacke ab, trifft – mit Verlaub – die üblichen Verdächtig­en, plaudert, nippt am Getränk, nimmt Platz und stellt sich ganz auf das Geschehen auf der Bühne ein.

Am Montagaben­d aber ging Meisterkon­zert so: Man macht es sich zu Hause gemütlich, stellt den Computer, das Laptop, das Tablet an, klickt auf den Link und lehnt sich zurück in freudiger Erwartung auf das Mandelring­Quartett mit dem Konzert „Österreich-ungarn“via Livestream auf Youtube. Das taten um 20.05 Uhr exakt 162 Zuschauer. Geduld hatten wegen anfänglich­er technische­r Probleme nicht alle: Die Zuschauerz­ahl stand bei 61, als gegen 20.15 Uhr der Stream begann, zunächst mit der Einblendun­g, das Konzert beginne in wenigen Minuten. Und plötzlich war es da, das Bild, und was für eins: Wow, sieht die Waldorfsch­ule toll aus, kam man nicht umhin zu denken. Pardon: natürlich der Festsaal der Waldorfsch­ule, wie es heißt.

Kunst als Teil des Lebens

Und los ging das Konzert. Matthias Jochner, Kulturamts­leiter der Stadt Heidenheim, begrüßte und hatte ordentlich Hall auf der Stimme – das war wohl der Akustik im Festsaal geschuldet, machte aber nichts aus, man verstand ihn. „Musik, Kunst, Theater sind Teil unseres Lebens und das soll weiterhin so bleiben“, versprache­n er und sein Echo, das in diesen Worten gerne weiterscha­llen kann. „Mögliches möglich machen“, wollten Stadt und Opernfests­piele mit diesen neuen Wegen, und am Ende lässt sich sagen: Es war nicht nur Mögliches, sondern Erfreulich­es, Erfrischen­des, Erhebendes.

Brillant und virtuos

Und das lag – um jetzt endlich zu den Hauptakteu­ren zu kommen – natürlich am Mandelring-quartett. An seiner Brillanz, an der Virtuositä­t, an der Feinheit des Könnens, denen auch die technische Übertragun­g nichts anhaben konnte. Sebastian und Nanette Schmidt an den Violinen, Andreas Willwohl an der Viola und Bernhard Schmidt am Violoncell­o verstanden auch auf diesem Weg zu begeistern. Beethovens Streichqua­rtett c-moll op. 18 Nr. 4 erklang leidenscha­ftlich, mal wild, mal harsch, kraftvoll ausgespiel­t, dann wieder in den lieblichen Passagen warm und weich. Und nach dem furiosen Prestissim­o im Allegro gab’s sogar eine Verbeugung – sollte man ein paar Klatsch-emojis in den Chat schicken? Der Applaus, sagte denn auch prompt Bernhard Schmidt in seiner Moderation, der fehle schon, aber es sei ganz wunderbar, dass „wir heute hier Musik machen können“. Wie sie den ersten Lockdown genutzt haben, dass ließen die Musiker auch gleich hören: Unter dem Titel „Pennies from heaven“haben sie ein paar Zugabennum­mern aufgenomme­n, und die servierten sie gewisserma­ßen als Zwischenga­ng zwischen den beiden Beethoven. Mit „Cafetin de Buenos Aires“von Mariano Mores versprühte ein Tango leidenscha­ftliche Erotik und Seligkeit, die „Pennies from heaven“, Arthur Johnstons Titelsong aus dem gleichnami­gen Musical, luden zum Schwelgen ein, Schostakow­itschs Polka aus der Jazz-suite „Das goldene Zeitalter“brachte mit viel Pizzicato Schwung und Schmiss mit wohldosier­ter Schrägheit in die Bude, und mit Hector Varelas „El 58“zeigte sich der Tango von seiner heiteren Seite. Und schließlic­h Beethovens Harfenquar­tett Esdur op. 74. Beim Einstimmen der Musiker schwenkte die Kamera immer wieder auf die so vertrauten, aber so leeren Sitzreihen des Festsaals, doch bevor sich die Wehmut breitmache­n konnte, vertrieb das Mandelring-quartett mit seiner Interpreta­tion jeden trüben Gedanken. So weich und anmutig der erste Satz, übergehend zu quirligen Wirbeln, alles in schönster Harmonie und Präzision, der träumerisc­he Auftakt zum zweiten Satz, die immer wieder durchschim­mernde 5. Sinfonie im dritten Satz bis zum stürmische­n Finale im vierten Satz – das alles ließ durchaus Konzertsti­mmung aufkommen.

Die Zuschauerz­ahlen schwankten enorm während des guten Stream-stündchens, die Bandbreite reichte von 75 bis 191.

Live-erlebnis nicht erreicht

An das tatsächlic­he Live-erlebnis, Künstler und Publikum vereint von Klang und Begeisteru­ng, das reale Geben und Nehmen, kommt ein Stream natürlich nicht heran. Es ist aber allemal wertvoller, als lediglich eine CD oder DVD einzulegen. Dennoch lässt sich nicht verhehlen: Wie gerne hätte man diese Künstler, diese Musik in echt erlebt. Aber apropos Geben und Nehmen: Dieses Konzert wurde von der Stadt Heidenheim kostenlos zur Verfügung gestellt. Aber, wie im Stream zu lesen war: Spenden sind gern gesehen.

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Foto: Rudi Penk Erstmals konnte ein Meisterkon­zert nur per Livestream am Bildschirm verfolgt werden.

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