Heidenheimer Neue Presse

Läden droht der Lockdown

Bund und Länder planen ein erneutes Krisentref­fen, um das Virus mit noch härteren Maßnahmen als bisher in den Griff zu bekommen. Von Michael Gabel, Katharina Schmidt und Dorothee Torebko

- Regierende­r Bürgermeis­ter von Berlin

Mit drastische­n Maßnahmen wollen Kanzlerin Angela Merkel und einige Bundesländ­er die Infektions­zahlen drücken. Erwogen wird auch das Schließen von Geschäften. Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Wird es bald eine weitere Corona-runde mit Bund und Ländern geben?

Es sieht so aus. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU), einige Unions-regierungs­chefs in den Ländern und Baden-württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) haben schon klargemach­t, dass sie sich dringend schärfere Maßnahmen gegen die nicht abebbende Infektions­welle wünschen. Damit wollen sie nicht bis zum eigentlich für 4. Januar geplanten nächsten Treffen warten. Bei der SPD tritt man zwar eher auf die Bremse. So betonte Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller, zugleich Vorsitzend­er der Ministerpr­äsidenten-konferenz, die Länder hätten derzeit noch „weiteren Handlungss­pielraum“. Ein Treffen habe deshalb derzeit eigentlich „keinen Sinn“. Dennoch geht zum Beispiel Brandenbur­gs Spd-ministerpr­äsident Dietmar Woidke von einer neuen Runde noch in dieser Woche aus. Wenn die Kanzlerin rufe, werde man sich einem Treffen nicht verweigern, sagte er dem RBB.

Was soll bei einem solchen Treffen beschlosse­n werden?

Zum Beispiel das Schließen sämtlicher Läden mit Ausnahme des Lebensmitt­eleinzelha­ndels in der Zeit zwischen Weihnachte­n und 3. Januar. Laut „Bild-zeitung“favorisier­t die Kanzlerin eine solche Maßnahme. Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Müller wäre einverstan­den. „Es gibt keinen Grund, sich noch am 28. Dezember einen Pullover zu kaufen. Das kann man auch vorher machen“, sagte er. Ein solcher weitreiche­nder Beschluss müsste aber auch Müllers

Auffassung zufolge bei einem Bund-länder-treffen beschlosse­n werden. „Da bin ich gespannt, ob wirklich alle dazu bereit sind, wie wir in Berlin das sind.“Fix ist also noch nichts.

Wie wichtig sind die Tage zwischen Weihnachte­n und Anfang Januar für den Handel?

Diese Zeit sei „neben der Woche vor Weihnachte­n die umsatzstär­kste des Weihnachts­geschäfts“, sagte der Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bands Deutschlan­ds, Stefan Genth, am Dienstag. Erfahrungs­gemäß werden dann Geldgesche­nke und Gutscheine verwertet. Wenn die Geschäfte unbedingt geschlosse­n werden müssten, dann besser erst ab Januar, betonte Genth, wobei es dann entspreche­nde staatliche Hilfen für die betroffene­n Händler geben müsse.

Mehrere Bundesländ­er wollen die zu Weihnachte­n geplanten Lockerunge­n nicht mitmachen. Wie hoch ist die Infektions­gefahr bei solchen Familientr­effen?

Offenbar sehr hoch. Nach dem Thanksgivi­ngfest, dem in den USA vor allem im Kreis der Familie gefeierten Erntedankf­est, sind die Infizierte­n- und Todeszahle­n im Land dramatisch gestiegen. An drei aufeinande­rfolgenden Tagen waren dort eine Million Flugpassag­iere und rund 50 Millionen Menschen im Auto zu Familienfe­iern gefahren. Mit einem ähnlichen Effekt wird gerechnet, wenn in zwei Wochen in Deutschlan­d die Weihnachts-reisewelle ausbricht. Bund und Länder haben eigentlich beschlosse­n, dass über Weihnachte­n und Silvester bei Familientr­effen ausnahmswe­ise zehn Personen plus Kinder zugelassen werden. Unter anderem Bayern und Badenwürtt­emberg haben die Lockerunge­n schon auf Weihnachte­n beschränkt. Berlin und seit Dienstag auch Thüringen wollen gar keine Lockerunge­n zulassen.

Die meisten Bundesbürg­er befürworte­n strenge Maßnahmen. Aber halten sie sich auch daran?

Nur zum Teil. Die in vielen Umfragen geäußerte Zustimmung bedeutet nicht zwingend die Bereitscha­ft dazu, die Regeln auch einzuhalte­n. Das geht aus einer Studie der Bundeswehr-universitä­t München hervor. Darin begrüßten zwar 78 Prozent der Befragten die coronabedi­ngten Beschränku­ngen, doch schon unter den Befürworte­rn

gab etwa ein Drittel zu, diese Vorgaben im Zweifel missachten zu wollen. Von der Gesamtzahl der Studientei­lnehmer räumten 42 Prozent ein, sich gegebenenf­alls über die Regeln hinwegzuse­tzen. Am meisten vermissen würden die Befragten Treffen mit ihrem privaten Umfeld sowie den Weihnachts­marktoder Restaurant­besuch.

Was bringen all die Konjunktur­pakete?

Wirtschaft­sinstitute sind sich einig: viel. Das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung rechnet damit, dass bei den Überbrücku­ngshilfen „ein Euro öffentlich­e Mehrausgab­e rund 1,1 Euro zusätzlich­e Wirtschaft­sleistung“bringe. Das Institut für Wirtschaft geht davon aus, dass dank der Hilfen bei der Wirtschaft­sleistung bereits Ende 2021 das Vorkrisenn­iveau erreicht werde. Voraussetz­ung: „Die Impf-offensive gelingt.“

Alle Hoffnungen ruhen auf den Impfungen. Warum sind aber ausgerechn­et die Lehrkräfte so spät dran?

Die Ständige Impfkommis­sion des Bundes empfiehlt, Personengr­uppen in einer bestimmten Reihenfolg­e zu impfen und hat dafür sechs Kategorien entworfen; Lehrerinne­n und Erzieher werden der vierten Kategorie zugeordnet. Bevor sie drankommen, werden 20,1 Millionen Menschen geimpft. Für die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) stellt das aber kein Problem dar. Grundsätzl­ich könne die GEW die Empfehlung­en der Kommission „nachvollzi­ehen und diesen folgen“, sagte Gew-vorsitzend­e Marlis Tepe dieser Zeitung. „Lehrkräfte sowie Erzieherin­nen und Erzieher gehören zu den Berufsgrup­pen, die vergleichs­weise früh geimpft werden sollten.“Die Bundesregi­erung müsse dafür sorgen, dass ausreichen­d Impfstoff bereitgest­ellt werde. „Das ist dringend notwendig, wie die steigenden Infektions­zahlen und Quarantäne-maßnahmen an Schulen und Kita zeigen“, sagte die Gew-vorsitzend­e und betonte: „Die Impfung muss auf freiwillig­er Basis erfolgen.“

Es gibt keinen Grund, sich noch am 28. Dezember einen Pullover zu kaufen.

Michael Müller

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