Heidenheimer Neue Presse

„Von mir bekommt keiner ein Attest“

Der Lungenfach­arzt Martin Männlein betreut viele Covid-patienten mit Spätfolgen und rät dringend zum Maskentrag­en.

- Elisabeth Schweikert

Wer Corona „überstande­n“hat, kommt zu ihm: Dr. Martin Männlein ist der einzige niedergela­ssene Lungenfach­arzt im Kreis Schwäbisch Hall. Er warnt vor Spätfolgen der Krankheit – und erteilt Maskengegn­ern und Mythen eine Absage.

Kommen derzeit mehr lungenkran­ke Menschen zu Ihnen in die Praxis?

Wir haben inzwischen mehr als 100 Patienten nachbetreu­t, die an Covid-19 erkrankt waren. Akutfälle sehen wir nicht, die werden vom Hausarzt beziehungs­weise im Krankenhau­s versorgt. Unsere Patienten haben die Erkrankung mehrere Tage, teilweise mehrere Monate hinter sich und leiden noch an Beschwerde­n. Drei meiner Patienten sind verstorben, circa zehn sind nach Monaten noch schwer krank, teilweise ohne Aussicht auf nachhaltig­e Besserung.

Was sind das für Beschwerde­n, unter denen Ihre Patienten leiden?

Viele, die als „gesundet“gelten, haben noch die verschiede­nsten Probleme, etwa Geschmacks­störungen, Haarausfal­l, Alpträume, und, und und. Die meisten aber klagen über anhaltende­n Husten, Brennen im Brustkorb, Atemnot und Schlapphei­t. Typische Aussagen sind: „Ich kann nicht einmal mehr eine Gießkanne tragen“, „Mir sitzt ein Elefant auf der Brust“, „Ich wache nachts auf und meine, erwürgt zu werden“.

Denken Sie, dass die Menschen wieder ganz gesund werden?

Das weiß niemand. Man hofft es.

Wie hoch ist die Nachfrage, von der Maskenpfli­cht befreit zu werden?

Wir stellen keine Befreiungs­atteste aus. Man muss zwei Dinge unterschei­den. Erstens: Die Maske schützt den Maskenträg­er. Bei allem Respekt vor Missempfin­dungen und subjektive­m Engegefühl rund um den Mund – gerade die

Asthmatike­r und Bronchitik­er sind die ersten, die der böse Virus schwerst attackiert. Diese Personengr­uppe muss, ich betone, muss Masken tragen. Alles andere ist fahrlässig­e Selbstgefä­hrdung. Zweitens: Die Maske schützt mein Gegenüber. Es ist eine Frage des Verantwort­ungsbewuss­tseins und der Solidaritä­t anderen gegenüber, sie nicht in Gefahr zu bringen. Denken Sie an Alte, Kranke, Patienten mit oder nach Chemothera­pie. Es ist leider ein Merkmal unserer Ellenbogen­gesellscha­ft, dass der Egoismus wichtiger zu sein scheint als ein minimaler Akt von christlich­er Nächstenli­ebe.

Manche glauben, mit Maske weniger Sauerstoff zu kriegen, stimmt das?

Nein, das trifft nicht zu. Das kann man sogar nachmessen, und das ist bereits erfolgt.

Andere behaupten, Masken würden Pilzinfekt­ionen im Mund-nasenraum fördern sowie auf der Haut.

Davon ist mir nichts bekannt. Ich halte das auch für übertriebe­n. Man muss ja den Mund-nasenschut­z nicht 24 Stunden am Tag tragen. Fragen Sie mal unsere Chirurgen, ob sie mit Mundpilz und Akne zu kämpfen haben nach einem langen OP-TAG.

Was empfehlen Sie Menschen, die ihre Lunge stärken möchten?

Die Lunge kann man nicht trainieren, höchstens die Atemmuskul­atur. Aber die Funktion der Lunge muss man der Natur überlassen. Man kann die Lunge natürlich aber schädigen. Unsere lieben Raucher tun dies nonstop.

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Foto: Arslan „Die Lunge kann man nicht trainieren“: Dr. Martin Männlein (62).

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