Auf der Spur von falschen Schätzen
Ernst Pernicka hat in Mannheim ein Labor von Weltgeltung aufgebaut. Mit modernsten Methoden klärt das Zentrum die Echtheit von Artefakten – und hat schon so manche Fälschung enttarnt.
Die vergangenen Monate haben Ernst Pernicka viel Kraft gekostet. Ein Streit um die weltbekannte Himmelsscheibe von Nebra forderte seine ganze Aufmerksamkeit. Sie gilt als die erste bekannte konkrete Himmelsdarstellung. Anfang September bezweifelten zwei Wissenschaftler in einem Aufsatz das von Pernicka bestimmte Alter des Objekts. Damit erzeugten sie einen großen Medienrummel.
Auch wenn er sich absolut sicher ist, dass die Scheibe 3600 Jahre alt ist und die beiden Wissenschaftler falsch liegen, war es Pernicka wichtig, die Sache „schnell aus der Welt zu schaffen“. Denn der Wirbel drohte eine geplante Ausstellung in Misskredit zu bringen.
Für den Fall, dass die Kritiker Recht haben, stand auch die Anerkennung des Objekts als Unesco-weltdokumentenerbe in Frage. Und auch der Ruf Pernickas als einer der weltweit profiliertesten Vertreter der naturwissenschaftlichen Archäologie war gefährdet.
So antwortete er Anfang November zusammen mit elf weiteren Wissenschaftlern auf die Kritik und wies die Zweifel am Alter der Scheibe zurück. Jetzt kann sich der Professor wieder seiner eigentlichen Aufgabe widmen.
Von 2004 bis 2019 war er Wissenschaftlicher Direktor des Curt-engelhorn-zentrum für Archäometrie, kurz „Ceza“in Mannheim. Pernicka ist im Februar 70 Jahre alt geworden. Sein Beruf macht ihm immer noch Freude, seine Expertise ist international gefragt, er fühlt sich fit, also macht er weiter, als Senior Direktor.
Wer Pernicka aufsucht, findet ihn in einem Wohnhaus mitten in Mannheim. Dort würde man nicht unbedingt ein naturwissenschaftliches Labor vermuten. Im Nachbarhaus ist die Bühne des Kabaretttheaters Klapsmühl untergebracht, gegenüber erhebt sich der Bau der Reiss-engelhorn-museen.
Der promovierte Chemiker hätte eine Laufbahn in der Industrie einschlagen können. Ein Zufall brachte den in Wien aufgewachsenen Pernicka aber auf den Weg in die Archäometrie. Als Postdoktorand am Max-planck-institut für Kernphysik in Heidelberg geriet er erstmals mit kulturhistorischen Metallobjekten in Kontakt – archaisch-griechischen Silbermünzen.
„Von da an hat mich das nicht mehr losgelassen“, sagt Pernicka. Die spannende Aufgabe, mit naturwissenschaftlichen Methoden die Erkenntnismöglichkeiten für kulturhistorische Fragestellungen zu erweitern, wurde zu seiner Leidenschaft. 1987 habilitierte er.
Zehn Jahre später wechselte Pernicka an die Technische Universität Freiberg (Sachsen) und etablierte dort den ersten Studiengang für Archäometrie im deutschsprachigen Raum. In Freiberg war es dann auch, wo er, eigenen Worten zufolge, sein bisher „spektakulärstes Objekt“zu begutachten hatte, die 1999 von Raubgräbern entdeckte Himmelsscheibe von Nebra. Die Liste mit weiteren prominenten Artefakten, die er analysierte, ist lang.
Die Zusammenarbeit und Freundschaft mit dem Tübinger Troia-ausgräber Manfred Korfmann führte Pernicka 2004 auf eine Professur für Archäometrie und Archäometallurgie an der Universität Tübingen. Als Korfmann 2005 überraschend starb, vertraute die Uni Pernicka die
Leitung des Troia-projekts an, und die Antikbehörden der Türkei erteilten ihm die Lizenz für die Forschungen an der berühmten Ausgrabungsstätte. So steht er in einer Reihe mit den Troia-ausgräbern Schliemann, Dörpfeld, Blegen und Korfmann. Dass er als Chemiker die Ausgrabungen leiten durfte, empfand er als „Ritterschlag der Archäologie“.
Für eine solche Aufgabe muss man eine gewisse Robustheit mitbringen, die man Pernicka nicht unbedingt ansieht, über die er aber durchaus verfügt. Aber auch in anderen Feldern geht es nicht immer harmonisch zu. Zu einem persönlichen Zerwürfnis mit einem Kollegen führte Pernickas Beschäftigung mit dem Goldschatz von Bernstorf, der 1999 bei Kranzberg im bayerischen Landkreis Freising zutage kam.
Falscher Schatz: Gold ist zu rein
Angeblich soll der Schatz 3300 Jahre alt sein. Pernicka nahm Proben und kam 2014 zu einem vernichtenden Ergebnis: Der in der Archäologischen Staatssammlung München aufbewahrte Schatz ist eine Fälschung. Nach Pernickas Analyse ist das Gold so rein, dass es nur mit neuzeitlichen Methoden hergestellt werden konnte.
„In den Museen werden viele Fakes ausgestellt“, sagt Pernicka. Das führt er darauf zurück, dass die Museen häufig auf dem Antiquitätenmarkt einkaufen. Dort wimmele es vor Fälschungen. Deswegen bietet der Professor an, vor einem Ankauf sein Labor zu Rate zu ziehen. Außerdem rät er dazu, dass Museen ihre Sammlungen von den Experten der Ceza durchforsten lassen.
Erst vor kurzem hat das Ceza-labor einen der größten Münzhändler Deutschlands vor einem Fehler bewahrt. Dem Händler war eine Goldmünze für eine Auktion angeboten worden, die angeblich aus der Renaissancezeit stammt. Bei der Begutachtung in Mannheim fanden die Spezialisten im Gold der Münze Spuren des Elements Kadmium.
„Wenn wir Kadmium im Gold finden, dann kann das Gold nur aus der Zeit des 19. Jahrhunderts und später sein“, sagt der als „Kriminaltechniker der Archäologie“bezeichnete Pernicka. In diesem Fall „war das für uns ganz einfach, die Fälschung festzustellen“.