Präsidentschaft unter Corona
Fonds für den Wiederaufbau gilt als großer Erfolg.
ein „neuer Aufbruch für Europa“sollte es werden. Das jedenfalls hatten sich die drei Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen – mit der deutschen Eu-ratspräsidentschaft am Ende von 2020 quasi als Höhepunkt. Doch unter dem Druck von Corona einerseits sowie Brexit-chaos und Rechtsstaats-streit andererseits schmolzen die vielen deutschen Ambitionen zu einem Krisenbewältigungshalbjahr zusammen. „Wir alle hatten uns diese Ratspräsidentschaft wirklich anders vorgestellt“, bekannte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch im Bundestag.
Zu diesen Vorstellungen gehörte zum Beispiel ein großer Euchina-gipfel mit allen Mitgliedstaaten. Das für September in Leipzig geplante Treffen sollte der Klärung wichtiger Handelsfragen dienen, aber auch verdeutlichen, dass Europa geschlossen und selbstbewusst dem Konkurrenten aus Fernost gegenübertreten will. Doch dieses Großereignis fiel der Pandemie ebenso zum Opfer wie die informellen Ministerräte und vielen kleineren Eu-konferenzen, die normalerweise im Staat der Präsidentschaft stattfinden. „Das ist wirklich schade, denn diese Ereignisse haben immer einen Europa-effekt tief ins Land hinein“, bedauert die Grünen-europapolitikerin Franziska Brantner.
Kommission war ausgelastet
Nicht erreicht werden konnte auch die eigentlich angestrebte Neufassung der europäischen Migrationsund Asylregeln, für die sich insbesondere Csu-innenminister Horst Seehofer stark machte und die eine Antwort auf die Flüchtlingskrise sein sollte. Zu einem Großteil hat das Ausbleiben einer verbindlichen Einigung ebenfalls damit zu tun, dass die für die Vorarbeiten verantwortliche Eu-kommission mit der Corona-bewältigung weitgehend ausgelastet war. Als großer gemeinsamer Erfolg von Deutschland und Frankreich gilt dagegen der üppige Wiederaufbaufonds von 750 Milliarden Euro, der erstmals durch gemeinsame Kredite finanziert wird. Noch nicht ganz entschieden ist, wie weit die EU nun in Sachen Klimaschutz kommen wird.
Merkel selbst zeigte sich in ihrer Haushaltsrede eher unzufrieden mit der Gesamtbilanz: „Vieles konnte nicht umgesetzt werden, und das ist schade.“Entscheidend für den Schlusseindruck aber dürfte der Eu-gipfel am Donnerstag und Freitag werden, der letzte reguläre während der deutschen Ratspräsidentschaft. „Viele hatten ja befürchtet, dass diese Präsidentschaft sozusagen Angela-merkel-festspiele werden“, sagt Brantner. „Ob Fest oder Fail, das wird sich nun zeigen.“