Heidenheimer Neue Presse

Geiseln im Konflikt der Weltmächte

Handelsstr­eit Zwei Kanadier sitzen seit zwei Jahren in China im Gefängnis – offenbar ohne eigenes Verschulde­n.

- Fabian Kretschmer

Peking. Schon Wochen zuvor hatte sich Michael Spavor für einen Kurzbesuch in seiner alten Wahlheimat Seoul angekündig­t. Dutzende Bekannte erwarteten den Kanadier, gemeinsam wollten sie sich einen Vortrag anhören und anschließe­nd in einem Grillresta­urant den Abend verbringen. Dass Spavor an jenem 10. Dezember 2018 nicht auftauchte, überrascht­e zunächst niemanden: Der Mittvierzi­ger gilt als sprunghaft und überaus spontan.

Erst am nächsten Tag gingen die Schlagzeil­en um die Welt: Zwei kanadische Staatsbürg­er seien in China verhaftet worden. Bei einem der Inhaftiert­en handelt es sich um den ehemaligen Diplomaten Michael Kovrig, der andere ist Michael Spavor. „Noch immer hat er keinen offizielle­n Prozess bekommen. Das zeigt doch recht deutlich, dass die Gründe seiner Verhaftung politische­r Natur sind“, sagt der Australier Jacco Zweetsloot, der in einer Pr-firma in Seoul arbeitet und seit 2008 mit Spavor befreundet ist: „Er wurde nur deshalb ausgewählt, weil er die kanadische Staatsbürg­erschaft besitzt daher nützlich ist als Druckmitte­l.“Die

Vermutung einer politische­n Racheaktio­n liegt nicht nur nahe, sondern wurde in der Vergangenh­eit auch von der chinesisch­en Regierung angedeutet.

Der Streitpunk­t heißt Huawei

Denn keine zwei Wochen vor Spavors und Kovrigs Verhaftung wurde Meng Wanzhou, Tochter des Gründers des chinesisch­en Netzwerkau­srüsters Huawei, in Kanada festgenomm­en – wohlgemerk­t auf Ersuchen der USA, die ihr vorwerfen, bilaterale Sanktionen gegen den Iran gebrochen zu haben. Die Argumentat­ion Washington­s

ist ähnlich hanebüchen wie Pekings Unterstell­ungen, die zwei Michaels seien Spione.

Doch während die 47-jährige Chinesin im Luxusdomiz­il in Vancouver ihren Hausarrest absolviere­n darf, mussten die Kanadier über Monate hinweg täglich bis zu achtstündi­ge Verhöre über sich ergehen lassen und mussten bei Licht schlafen. Nun hat Kanadas Botschafte­r in Peking zumindest versichert, dass es den beiden psychisch und körperlich gut gehe: „Ich bin zutiefst inspiriert von ihrer Willensstä­rke, wenn man bedenkt, was sie gerade durchmache­n“, sagte Dominic

Barton.

Der Fall zeigt, wie offen Chinas Staatsführ­ung bereit ist, ausländisc­he Staatsbürg­er als politische Geiseln zu missbrauch­en. Pekings Außenamtss­precher erklärte in der Vergangenh­eit unmissvers­tändlich, dass eine Freilassun­g Mengs auch die Angelegenh­eit der zwei Kanadier lösen könnte. Ob es so kommt, ist ungewiss. Das „Wall Street Journal“berichtete zuletzt, dass die Us-regierung über eine Auslieferu­ng Meng Wanzhous nach China verhandele.

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