Lieber Trug,
gemeinhin gehst Du ja in der deutschen Sprache mit dem Wort Lug einher. Davon soll aber hier nicht viel die Rede sein, denn vom Lug haben wir schon jede Menge. Leider nicht von der charmanten Art, wie ihn noch der Baron von Münchhausen seinen Gästen zur Unterhaltung auftischte. Heute ist das Lügen zielgerichtet organisiert und es greift immer mehr um sich. Wer fake news streut, hat nur ein Ziel: seine Macht zu vermehren – oder sein Vermögen. Propaganda hieß in Deutschlands schlimmsten Zeiten das vom Staat organisierte Lügen.
Doch soll es nicht um das Dritte Reich gehen, sondern um das Wental bei Steinheim, das auch durchaus trügerisch sein kann.
Wen es vom Hirschfelsen zum Wental-weible zieht, der wird an besagter Stelle vorbeikommen. Ein bisschen flirrender Schnee in der Luft, ein bisschen Nebel, ein flüchtiger Blick zur Seite: Da steht ein Wildschwein! Ein Stutzen. Bewegt es sich? 20 oder 30 Meter Abstand. Keine Reaktion. Auch nicht auf ein Winken.
Das Tier starrt unentwegt und fixiert die kleine Gruppe von doch irgendwie Furchtsamen, die sich inzwischen gebildet hat. Der Zweifel wächst. Solange hält ein Tier doch nicht still! Allmählich wird man der Anlage eines Spielplatzes gewahr. Ein paar Schritte auf das Tier zu, das Trugbild weicht. Ein kurzes Lachen. Natürlich hatte man nie ernsthaft an ein wirkliches Wildschwein geglaubt. Ein großes Lob geht sofort an die Gestalter des Spielplatzes: So viel täuschende Ähnlichkeit bei den hier platzierten Tiermodellen!
Man könnte daraus etwas lernen. Traue nicht dem ersten Blick, dem Wägen aus der Ferne, der schnellen Vermutung. Vielmehr muss man selbst sehr nahe an die Dinge heran und diese prüfen, damit man der Realität gewahr wird.
Schön, wenn sich immer der Nebel so schnell verziehen würde wie im Wental und man immer klare Sicht hätte. Doch der Trug ist ein heimlicher Gesell und sein größtes Versteck ist der Satz: Am Ende kommt die Wahrheit immer ans Licht. Das sei hier verraten. Denn das liest Du ja eh nicht.