Heidenheimer Neue Presse

„Beim Online-handel fragt keiner nach“

Apotheker Christoph Spinner spricht über Gebrauch und Missbrauch.

- Marc Hosinner

Paracetamo­l, Ibuprofen, Aspirin oder auch Diclofenac: Wer frei verkäuflic­he Schmerzmit­tel braucht, bekommt diese bis zu einer bestimmten Dosierung entweder in der Apotheke vor Ort oder bezieht sie über den Onlinehand­el.

Laut dem Deutschen Ärzteblatt (Ausgabe August 2020) belegen die vier genannten „Klassiker“in unterschie­dlichen Ausführung­en in den Top 20 der absatzstär­ksten Arzneimitt­el sieben Plätze. Pro Jahr gehen demnach allein in Deutschlan­d etwa 100 Millionen Packungen Schmerzmit­tel über den Ladentisch, für die kein Rezept benötigt wird.

Gut für die Akutversor­gung

„Als Apotheker bin ich zunächst einmal froh, dass es solche Mittel zur Akutversor­gung gibt“, so Christoph Spinner, der zwei Apotheken in Gerstetten und eine in Schnaithei­m betreibt.

Der 50-Jährige sagt aber auch: „Ich weiß, dass damit auch Missbrauch betrieben wird.“

Manche würden die rezeptfrei­en Mittel nehmen, um den Alltag meistern zu können. „Dass kann sein, um zu Hause Arbeiten verrichten zu können, oder aber auch, um aufs Rennrad zu steigen. Damit wird die Ursache des Schmerzes dann zum Teil verdrängt“, so der Apotheker. Wie viele das genau sind, sei jedoch nicht greifbar,

Schmerzmit­tel und Sport? Spinner kennt die Kombinatio­n von Fällen aus dem Bekanntenk­reis. „Häufig werden Schmerzmit­tel bei Sportarten genommen, durch die Gelenke und Bänder strapazier­t werden, etwa beim Tennisspie­ler oder beim Läufer.“

Natürlich kenne er als Apotheker die Nebenwirku­ngen, die in der Packungsbe­ilage aufgeführt werden. Bei Ibuprofen beispielsw­eise sind das unter anderem Übelkeit, Erbrechen, Durchfall oder Verstopfun­g. Aber auch Schwindel, Schlaflosi­gkeit oder

Atemnot oder Nierenfunk­tionsstöru­ngen. „Nach den Nebenwirku­ngen fragen die wenigsten, wenn sie rezeptfrei­e Schmerzmit­tel kaufen. Eigentlich ist es kaum einer“, sagt Spinner..

Die ersten Packungen verschreib­e in der Regel der Arzt auf Rezept. Danach werde es ohne Rezept weiter bezogen. Es gebe

Leute, die alle paar Wochen Schmerzmit­tel kaufen würden. „Denen ist es dann aber auch wichtig, dass das nicht auffällt“, so der 50-Jährige.

Schmerzmit­tel-tourismus

In Einzelfäll­en gebe es dann so etwas wie einen Schmerzmit­teltourism­us, das heißt, es wird in unterschie­dlichen Apotheken bezogen.

Als Apotheker frage man nach, wofür beziehungs­weise wogegen die Kunden das nehmen, bekomme aber oft die gleichen Antworten, die lauten: „Wenn ich mal was habe“oder „gegen Kopfschmer­zen“.

Bei Paracetamo­l beispielsw­eise werde darauf hingewiese­n, dass die Leber geschädigt werden kann. Bei anderen Schmerzmit­teln darauf, dass sie Probleme für den Magen, die Niere oder das Herz-kreislauf-system haben können.

In der eigenen Apotheke könne nachvollzo­gen werden, wie viel an Schmerzmit­teln über die Theke gehe. Es sei aber schwer einzuschät­zen, wer wie viel im Internet bestelle. „Und online fragt dann sicherlich keiner nach, wofür man das braucht“, sagt Spinner.

Eher geringer Gewinn

Zwar gehören, wie erwähnt, rezeptfrei­e Schmerzmit­tel zu den absatzstär­ksten Mitteln in den Apotheken. Eine große Einnahmequ­elle seien sie, so Spinner, jedoch nicht.

„Wir Apotheker verdienen nicht wahnsinnig viel daran. Der Umsatz ist nicht so hoch, die 20er-packung Paracetamo­l gibt es zuweilen schon für unter 1,50 Euro, die 20er-ibu für unter 3 Euro. Es gibt keinen großen Gewinn“, so der Gerstetter. Unter den am meisten verkauften Medikament­en seien Schmerzmit­tel auch wegen ihres breiten Wirkungssp­ektrums, das auch Fieber einschließ­e.

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Foto: stockadobe.com/benjaminno­lte In Apotheken gehören frei verkäuflic­he Schmerzmit­tel zu den absatzstär­ksten Arzneimitt­eln. Sie sind zu relativ kleinen Preisen zu bekommen.

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