Über Rechte schreiben
Die Literatur ist eine Art Seismograph gesellschaftlicher Ereignisse. Einige Romane thematisieren derzeit AFD, Pegida und Co.
Literatur ist ein langsames, manche würden sagen: behäbiges Medium. Bis gesellschaftliche Umbrüche oder historische Großereignisse eine literarische Form finden, kann es Jahre dauern, zuweilen Jahrzehnte. Pointierte Analysen sollte man von ihr schon gar nicht erwarten. Und doch: Literatur funktioniert wie ein Seismograph. Grummelt da etwas unter der Oberfläche, dann ist es meist auch in zeitgenössischen Texten zu spüren. Kein Wunder also, dass in vielen aktuellen Romanen das Erstarken der politischen Rechten und des Rechtsextremismus eine Rolle spielt. „Ich glaube“, sagt der junge Autor Cihan Acar, „es ist grundsätzlich ganz einfach so: Wer über das Deutschland der Gegenwart literarisch schreiben möchte, kommt eigentlich in diesen Zeiten, in diesen Jahren nicht um dieses Thema herum.“
Cihan Acars Roman „Hawaii“ist eines der Bücher, das sich dezidiert mit dem Thema befasst. Ein starkes Debüt, das nicht nur von einem jungen, türkischstämmigen Mann in Heilbronn erzählt,
Ich nehme eine Art Resignation wahr in unserer migrantischen Community.
Cihan Acar
Autor
den das Leben aus der Bahn geworfen hat. Sondern auch von einer zusehends gewalttätiger werdenden Stimmung in der Bevölkerung: „Heimat“ist das Schlagwort, unter dem gegen Migranten gehetzt wird. Die lassen sich das nicht gefallen und organisieren sich. In der Realität sieht das freilich ein bisschen anders aus. „Ich nehme auch immer mehr so eine Art Resignation wahr innerhalb unserer migrantischen Community“, konstatiert Acar, „und mir selbst geht es auch so.“
Literatur kann dem Unverstandenen und Bedrohlichen mit Geschichten begegnen. Ob Moritz von Uslar in seinem Reportage-roman „Nochmal Deutschboden“über Wochen hinweg eine Gruppe junger Männer begleitet, für die der Faschismus fast zu einer Art Folklore geworden ist. Oder der Stuttgarter Krimi-autor Wolfgang Schorlau sich mit den Widersprüchen innerhalb der Sicherheitsbehörden auseinandersetzt, die bei der Aufarbeitung der Nsu-verbrechen ans Tageslicht gekommen sind. Ob in Dorfromanen von Jens Wonneberger oder Kathrin Gerlof die diffuse Angst vor dem und den Fremden mit einer Verlusterfahrung korrespondiert, die das Ende der DDR mit sich brachte.
Oder ob Ingo Schulze in seinem Roman „Die rechtschaffenen Mörder“auf kunstvoll verschlungene Weise und mit doppeltem Boden von einem Buchmenschen erzählt, der nach der Wende sein Geschäft und seine Bedeutung verliert und irgendwann Pegida-parolen übernimmt.
Um Ambivalenzen geht es auch der jungen Theater- und Prosaautorin Amanda Lasker-berlin, die in Ludwigsburg lebt. Sie wirft, und das ist durchaus eine Ausnahme unter den Neuerscheinungen, in ihrem Roman „Elijas Lied“einen Blick auf Frauen in einer prominenten rechten Bewegung, den „Identitären“: Frauen werden hier meist als Anhängsel einer männlich geprägten rechten Kultur gesehen, die eine eindeutige Rollenverteilung vorsieht: starke Männer, schöne, fügsame Frauen.
Menschenverachtende Haltung
Wie können sich Frauen für eine Ideologie einsetzen, die ihre eigenen Rechte schwächen will? „Ich glaube“, so Lasker-berlin, „dass aus diesen absurden inhaltlichen Brüchen auch nur ein sehr zerrissenes Selbstbild entstehen kann. Wie soll man sich dann verhalten, was soll man denn über sich selber denken?“Amanda Lasker-berlin zeichnet diese Zerrissenheit anhand ihrer Romanfigur Loth nach. Deutlich wird ihre menschenverachtende Haltung, aber auch die Verstörung, die in ihr am Werk ist. Trotz aller im Inneren wütenden Konflikte spricht Lasker-berlin sie nicht frei.
Verstörend ist vielleicht das geeignete Stichwort für die Erlebnisse, die Manja Präkels in ihrem preisgekrönten Roman „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“schildert. 1992, mit 15 Jahren, war sie nachts mit Freunden unterwegs, tanzen. „Es gab damals“, erinnert sich Manja Präkels, „einen dieser typischen Überfälle auf Diskotheken durch so Nazibanden, also Neo-nazibanden. Und ein Bekannter von mir hat diese Nacht nicht überlebt.“Die Ich-erzählerin Mimi wächst zwischen den Fronten auf: Jugendliche im Osten, die nach der Wiedervereinigung
entweder nach extrem rechts oder nach links abdriften: „Zecke“oder „Glatze“, dazwischen gibt es nichts.
Was die damalige Geschichte eines rechtsradikalen Mordes an einem jungen Punk mit der Gegenwart zu tun hat? Offensichtlich haben sich in der Zwischenzeit die rechten Strukturen verfestigt und verstetigt. Die Zahl rechter Übergriffe hat in den letzten Jahren beängstigend zugenommen. Hinzu kommt, dass die Protagonisten von damals ja heute wieder am Start sind“, sagt Präkels. „Leute in meinem Alter, die maßgeblich bei Pegida mitbestimmten und maßgeblich die AFD mitbestimmen.“
Manja Präkels’ Roman stiftet ebenso wie viele andere zum Gespräch an. Ob literarische Reportage, autobiographisch gefärbte Prosa, düstere Dystopie oder reizvolle Fiktion: Es gibt etliche Annäherungen an das gefühlte zeitgenössische Unbehagen. Erklärungen können sie kaum bieten, doch geht es dieser Literatur ums Verstehenwollen. Manja Präkels fasst es so: „Es braucht Worte und Begrifflichkeiten. Man kann die Individuen stärken in ihren Träumen und in ihren Ängsten ernst nehmen – das kann alles Literatur, die kann einen abholen!“