Heidenheimer Neue Presse

Wie läuft der digitale Weihnachts­markt?

Corona-auswirkung­en Kann der Weihnachts­markt im Internet ein Ersatz sein? Nur wenige Kunden haben online den Weg zu den Kunsthandw­erkern gefunden. Von Karin Fuchs

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Der Weihnachsm­arkt findet heuer online statt. Doch nur wenige Kunden haben auf diesem Weg zu den Kunsthandw­erkern gefunden.

Weihnachte­n ohne Weihnachts­markt? In diesem Jahr ist das die Realität. Am zweiten Dezemberwo­chenende wäre die Heidenheim­er Innenstadt mit Weihnachts­markt in der Hinteren Gasse und langer Einkaufsna­cht der Besucherma­gnet schlechthi­n gewesen. Die Einkaufsna­cht findet statt, doch der Markt, der unter Corona-bedingunge­n kleiner und auf das erste und zweite Dezemberwo­chenende hätte verteilt werden sollen, wurde abgesagt. Für viele Kunsthandw­erker bedeutet dies einen wirtschaft­lichen Schlag, da in der Vorweihnac­htszeit in der Regel ein Großteil des Jahresumsa­tzes gemacht wird – teils auch auf den Weihnachts­märkten.

Die Stadt Heidenheim hat als Ersatz in Windeseile einen „digitalen Weihnachts­markt in der Hinteren Gasse“aus dem Boden gestampft. Benutzt wurde die bestehende Online-plattform „Heidenheim erleben“, die unter der Regie des Heidenheim­er Dienstleis­tungsund Handelsver­eins HDH, der Stadt Heidenheim und weiteren Partnern betrieben wird. Videobotsc­haft und Lesung

Oberbürger­meister Bernhard Ilg begrüßt per Video-botschaft die Besucher in der digitalen Gasse und hofft, dass die Bürger mit dieser Variante trotzdem ein Stück Weihnachts­markt genießen können. Stadtbibli­othek und Medienzent­rum Heidenheim zeigen eine Lesung mit Klaus-peter Preußger, der „Ein Wort zu Ehren des Winters“von James Russell Lowell präsentier­t. Das Jugendblas­orchester der Musikschul­e Heidenheim unter Leitung von Jürgen Degeler spielt „Feliz navidad“.

Doch wie läuft das Online-format? Bereits am ersten Wochenende hätten sich die Besuchszah­len auf der Plattform „Heidenheim­erleben.de“

im Vergleich zur Vorwoche mehr als verdoppelt, heißt es vonseiten der Stadtverwa­ltung. 26 Aussteller nutzen die Möglichkei­t eines Verkaufs über den Lokalen Online-marktplatz der Stadt Heidenheim.

Beim Weihnachts­markt in der Hinteren Gasse wären es 25 Aussteller gewesen, verteilt auf 15 Hütten, an zwei Wochenende­n. Auch noch nach dem Beginn des Online-weihnachts­marktes am ersten Adventswoc­henende hätten sich Aussteller gemeldet, die noch mitmachen wollten und nun ihre Waren im Profileint­rag präsentier­en. Genaue Verkaufsza­hlen fehlen

Bereits wenige Tage nach dem Start des Weihnachts­marktes in der digitalen Gasse hätten sich einige Aussteller mit positivem Feedback gemeldet. „Sie lobten die ansprechen­de Präsentati­on und berichtete­n von ersten Verkäufen über die Plattform“, teilt ein Sprecher der Stadtveral­tung mit. „Leider können wir nicht zentral Auskunft geben, wie viele Kunden das Angebot nutzen, weil der Verkauf in der Regel über telefonisc­he Absprachen oder E-mail-verkehr mit den einzelnen Anbietern erfolgt. Anhand des ersten Feedbacks halten wir aber fest, dass der digitale Ableger sehr gut angenommen wird.“Die Stadtverwa­ltung gehe davon aus, dass sogar neue Kunden gewonnen werden könnten, die den Weg zur Hinteren Gasse vielleicht gar nicht gefunden hätten.

Etwas ernüchtern­der klingt die Nachfrage bei einigen Händlern. Esther Pfaff zum Beispiel, seit Jahren mit ihren Nurmies in der Hinteren Gasse dabei, sitzt auf einer Menge von Springerle und Feuerzange­nbowle, die sie jedes Jahr nur für den Weihnachts­markt herstellt. „Dass die jetzt nicht verkauft werden, ist schade, da steckt nicht nur Geld, sondern auch viel Zeit drin.“Vom Online-markt habe sie sich mehr erhofft. Doch wie sollen die Menschen den überhaut finden, fragt sie sich.

Korbflecht­meisterin Anna Mosler hat über die Plattform tatsächlic­h einen Korb verkauft, der im virtuellen Markt als Foto abgebildet war. Zwei weitere Kunden hätten berichtet, dass sie über eine Zeitungsan­zeige über den Online-markt auf sie aufmerksam geworden seien. Bestellung­en schon im Februar

Anderes berichtet Oliver Linse vom Laden „Glanzzeit“. Verkauft habe er über den Online-markt noch nichts. „Dennoch ist es eine gute Sache, wenn Leute, die meinen Laden noch nicht kennen, über den Online-markt auf mich aufmerksam werden.“Froh sei er darüber, dass viele Stammkunde­n in den Laden kommen, die sonst auf dem Weihnachts­markt eingekauft hätten. „Aber ich bin mir sicher, den Umsatz des Weihnachts­marktes ersetzt das alles nicht.“Schon im Februar hätte er die Weihnachts­ware bestellt, im Herbst wurde sie geliefert. „Die kann ich nicht zurückschi­cken.“

Für Sandra Schleißhei­mer wäre es mit „Filzicus“der erste Auftritt in der Hinteren Gasse gewesen, ebenso für Hobbyschne­iderin Claudia Lichtwer. Vor einem Jahr ist Schleißhei­mer mit ihrer Werkstatt von Nattheim in die Heidenheim­er Schmelzofe­nvorstadt gezogen. Über die digitale Gasse habe sie noch nichts verkauft, aber über ihren eigenen Online-shop, der zusätzlich zum Werksverka­uf Standbein ihres Geschäfts sei. „Weihnachte­n kommt wieder“, tröstet sich Lichtwer, viel Weihnachtl­iches für den Markt genäht zu haben.

Dass der Ausfall des richtigen Weihnachts­marktes schwer wiegt und einen enormen Verlust bedeutet, weiß man auch bei der Stadtverwa­ltung. Die Verantwort­lichen glauben jedoch, aus der jetzigen Situation sei das Beste gemacht worden. Auf Heidenheim­erleben.de könnten die Besucher viele der Artikel entdecken, die sie auch auf dem realen Weihnachts­markt hätten finden können. „Die größten Unterschie­de sind wohl der fehlende Geruch von weihnachtl­ichen Leckereien und Getränken und fehlende persönlich­e Gespräche mit Freunden und Fremden auf dem Markt.“ Pläne für 2021 stehen schon

Wie geht es weiter? Die Stadtverwa­ltung plant bereits, auch im kommenden Jahr den digitalen Ableger als Ergänzung zum Weihnachts­markt anzubieten. Die Anbieter würden so eine zusätzlich­e Verkaufsmö­glichkeit erhalten – und den Vorteil, jederzeit digital sichtbar zu sein mit ihren Angeboten und Kontaktdat­en.

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 ?? Foto: Archiv / Markus Brandhuber ?? Der Blick von der Hinteren Gasse auf das Schloss: in diesem Jahr ohne Glühweindu­ft und Besucherma­ssen.
Foto: Archiv / Markus Brandhuber Der Blick von der Hinteren Gasse auf das Schloss: in diesem Jahr ohne Glühweindu­ft und Besucherma­ssen.

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