Schmerzmittelserie
Tim Göhlert spricht über seine Erfahrungen
Seine erste Schmerztablette nahm Tim Göhlert, als er 18 Jahre alt war. Einen Tag zuvor war er umgeknickt, hatte deswegen Schmerzen. „Ich wollte aber das Spiel machen, deswegen habe ich eine Diclo genommen“, sagt der Ex-fußballprofi und heutige Arzt. Damals schnürte er noch in seiner Geburtsstadt Chemnitz die Kickstiefel
Wiederum 18 Jahre später ist Göhlert Teil einer Dokumentation der Dopingredaktion der ARD und dem Recherchezentrum Correctiv, in der es unter dem Titel „Pillenkick“um Schmerzmittel im Profi- und Amateurfußball geht.
Düsteres Bild vom Fußball
Der Beitrag zeichnet ein eher düsteres Bild vom deutschen Fußball in Bezug auf die Einnahme von Tabletten, die es auch in der Apotheke zu kaufen gibt. Nach der Ausstrahlung zeigt sich beispielsweise Dfb-präsident Fritz Keller von den Ergebnissen, die einen Missbrauch von Schmerzmitteln in der Sportart Nummer eins im Land aufdecken, betroffen.
Neben Amateuren kommen auch Profis zu Wort, die vor der Kamera offen über ihre Erfahrungen mit frei verkäuflichen Analgetika sprechen. Einer davon ist Neven Subotic, lange Zeit in Dortmund und jetzt im Osten Berlins unter Vertrag. Er steht der Einnahme von Schmerzmitteln offenbar eher kritisch gegenüber, berichtet aber davon, dass „Ibu wie Smarties“eingenommen werden. Es gebe Spieler, die würden für „jedes kleine Aua“gleich was schlucken.
Spritzen vor dem Spiel ins Knie
Jonas Hummels, Bruder von Mats Hummels und unter anderem in Unterhaching Fußballprofi, gibt in der Dokumentation an, er habe sich auch schon mal Schmerzmittel direkt vor einer Partie ins Knie spritzen lassen, um spielen zu können. „Wenn man einem Sportler neunmal sagt, er soll das nicht nehmen, hört er neunmal weg“, so Hummels.
Und Tim Göhlert? Der sagt im Ard-beitrag: „Über die gesamte Karriere gesehen, waren es wahrscheinlich zu viele Schmerzmittel, die ich eingenommen habe.“
Verkapptes Doping?
Zu der Aussage steht er zwar, doch auf Nachfrage der HZ fügt er an, man müsse das etwas präziser betrachten. Die im Fernsehbeitrag aufgestellte These, Schmerzmittel-gebrauch im Fußball sei verkapptes Doping, greife für ihn zu kurz.
Schmerzmittel, so Göhlert, der über Chemnitz und Ulm 2005 zum FCH kam, hätten in seiner Karriere zwar eine Rolle gespielt. Die Art und Weise der Einnahme sei jedoch seitens des Vereins immer reglementiert gewesen.
„Je höher es in den Ligen ging, umso professioneller wurde auch der Umgang mit der Einnahme von Schmerzmitteln“, sagt der Arzt im Rückblick.
Gut aufgestellt beim FCH
Man habe natürlich zum Mannschaftsarzt und den Physios gehen und rezeptfreie Tabletten verlangen können. „Ohne die Nachfrage nach dem Grund gab es aber nichts. Und man bekam auch schon mal eine Ansage, wenn man zu oft was verlangte. Beim FCH war man da ziemlich gut aufgestellt. Du konntest da eigentlich nicht in die Medikamenten-falle laufen“, so der Defensiv-spezialist, der elf Jahre im Trikot der Heidenheimer auflief.
Was dann die Kollegen aus der Mannschaft zu Hause genommen haben, weiß ich nicht.
Tim Göhlert, Ex-profi und Arzt
Er schränkt aber ein: „Was dann Kollegen zu Hause genommen haben, kann ich natürlich nicht sagen und weiß ich auch nicht. Die Mittel sind ja bis zu einer gewissen Dosierung frei verkäuflich.“
„Das war ja mein Beruf“
Es habe auch in seiner Zeit als Fußballer Momente gegeben, da habe er vor dem Spiel etwas genommen, um nicht pausieren zu müssen. „Das finde ich aber nach wie vor in Ordnung. Man muss dabei bedenken, dass das ja mein Beruf war. Und wenn Du da ab und zu ein Schmerzmittel gebraucht hast, war das mit dem Gewissen zu vereinbaren.“
Heute steht Göhlert als Arzt auf der anderen Seite und plädiert für verstärkte Aufklärung beim Thema. Schmerzmittel seien zu einem gesellschaftlichen Problem geworden.
Wer Schmerzen habe, sollte seinen Körper durch die Einnahme von Tabletten nicht über ein Level bringen, das dieser ohne die Mittel nicht bereit wäre zu gehen. Das sei sicher nicht nur im Sport ein Problem.
In der Regel würden zu viele Leute zu viele Schmerzmittel nehmen. „Da hilft nur, immer wieder genau hinzuschauen und den Leuten einfach klarzumachen, dass das auf Dauer ziemlich ungesund ist. Nicht nur für die Organe, sondern auch für die Gelenke“, so der Mediziner.