Riesenvorrat an gefälligen Melodien
Nur fünf Monate nach „Folklore“überrascht Taylor Swift mit dem neuen Studioalbum „Evermore“.
„Simpel gesagt: Wir konnten einfach nicht aufhören, Songs zu schreiben“, erklärte Taylor Swift ihren 141 Millionen Fans auf Instagram. Nur wenige Stunden nach dieser Ankündigung hat die 30-jährige Us-amerikanerin am Freitag, wieder völlig überraschend, mit „Evermore“ihr zweites Studioalbum im Corona-jahr 2020 – und ihr insgesamt neuntes – veröffentlicht.
Es ist eine Fortsetzung der gefeierten Folk-platte „Folklore“, die erst vor fünf Monaten erschien, und wieder ein herausragendes Werk mit einer ganzen Reihe eingängiger Songwriter-stücke. Diesmal war nicht nur Sänger Matt Berninger beteiligt, sondern teilweise gleich die gesamte vielgerühmte Us-indierock-band The National. Außerdem gibt es wieder ein Duett mit dem Elektro-folk-musiker Bon Iver und weitere Gastauftritte.
„Evermore“macht erneut deutlich, welch gute Songwriterin Swift ist. Da ist zum einen dieser scheinbar unerschöpfliche Vorrat an gefälligen, aber nicht abgenutzten Melodien: einfach genug, um von Millionen Fans mitgesungen zu werden, aber auch so clever, dass man sich nicht an ihnen satthört. Zum anderen hat Swift auch in erzähltechnischer Sicht großes Talent.
Ihre Texte weben in vielen Details weitreichende Geschichten, sie greifen dabei manchmal Motive
auf, die sie schon in Vorgängeralben verwendet hatte. Hatte sie früher oft damit gespielt, sich in den Texten vermeintlich aus ihrer eigenen Vergangenheit zu bedienen, so setzt sie jetzt stärker darauf, fiktive Geschichten von einer Außenperspektive zu erzählen. „My mind turns your life into folklore“, singt sie in „Gold Rush“(„Meine Gedanken verwandeln dein Leben in Folklore“). Sie verwandelt das Leben in Geschichten, die mit ihrer Musik weitergetragen werden.
„Gold Rush“ist, wie fast alle Lieder des Albums, mit zurückhaltenden Streichern unterlegt. Doch während die meisten Songs von einer gezupften Akustikgitarre und melancholischen Klaviermelodien begleitet werden, findet sich hier ein unterschwelliger Beat. Diese Lieder könnten, anders instrumentiert, auch Dancehits sein.