Badehosen, Ibiza und die große Liebe
In „Alle sind so ernst geworden“liefern Martin Suter und Benjamin von Stuckrad-barre tiefe Einsichten in das Leben.
Zwei Männer machen zusammen einen Podcast, für den sie in einem Luxushotel über dies und das plaudern, das Ganze veröffentlichen sie auch noch als Buch: Damit das funktioniert, muss schon einiges stimmen. Bei „Alle sind so ernst geworden“von Martin Suter und Benjamin von Stuckrad-barre ist das glücklicherweise der Fall. Es ist ein Gesprächsband mit viel Situationskomik, kurzweiligen Dialogen und Einblicken in das Schriftsteller-dasein geworden.
Erst einmal handelt es sich hier um zwei Bestsellerautoren, die abgesehen von ihrem Promi-bonus schlagfertig, witzig und schlau sind. Sie sind zudem sehr unterschiedlich. Auf der einen Seite das hyperaktive, selbst ernannte „Drogenwrack“Stuckrad-barre (45), auf der anderen Seite der eher gemütliche Suter (72). Da einer, der von sich selbst sagt, er könne „nicht wohnen“, und deswegen in Hotels lebt, um dort mit seiner Freundin Picknicks auf dem Fußboden zu veranstalten. Und einer, der seit 1975 in keiner „Disco“mehr war. Der seine Freunde einlädt, um Luxus-fisch zu kochen, der zuvor zweitausend Meter tief im Nordostpazifik lag. Philosophie des Alltags
Zunächst reden die beiden nur über Belanglosigkeiten, aber dahinter steckt natürlich ein poetologisches Programm. Zum einen die Idee, aus den banalsten Alltagsdingen eine philosophische Einsicht herauszuschälen. Da ist es egal, ob es um Badehosen, Glitzer oder Ibiza geht. Oder um das Wort „Äähm“: Suter: Man will diese Denkpause verstopfen, damit niemand reinspringt. Stuckrad-barre: Atmet da der Text, oder schwankt da der Sinn?
Es gibt auch Einblicke in das Gefühlsleben. Etwa in einem Kapitel, in dem Stuckrad-barre vehement versucht, Suter (der seit 45 Jahren mit seiner Frau zusammen ist) dazu zu bringen, den Unterschied zwischen Verliebt-sein und Liebe zu ergründen.
Dann wollen sich die beiden auch eine Leichtigkeit zurückerobern. Die Unbeschwertheit verteidigen, wie Stuckrad-barre es ausdrückt: „eine temporäre Realitätsverweigerung“, bevor man zurück ins „Sm-studio Wirklichkeit“muss. Suter formuliert das weniger popliterarisch: „Ich finde, das Problem der meisten Leute ist nicht, dass sie nicht ernst genommen werden, sondern dass sie sich selbst so ernst nehmen. Daran scheitert die Politik und oft auch die Liebe.“