Heidenheimer Neue Presse

Der Streit um das Schloss

- André Bochow

Heute hätte man keine Chance mehr, so etwas wie ein Schloss nochmal zu bauen.“Das sagt der Hörfunkaut­or Lorenz Rollhäuser, der sich auch mit dem Berliner Schloss auseinande­rgesetzt hat. Er meint, die Gesellscha­ft wäre heute weiter und würde sich etwas anderes wünschen als den Barock-komplex mitten in Berlin. Tatsächlic­h aber war die Wiedererri­chtung, beziehungs­weise der Nachbau des Gebäudes von Anfang an umstritten.

1993 stellt der Fördervere­in „Berliner Schloss“eine riesige Attrappe auf. Im Oktober 1997 beginnt die jahrelange Asbestbese­itigung beim Palast der Republik, und am 20. Dezember 2001 schlägt eine Expertenko­mmission den Nachbau des Stadtschlo­sses mit barocken Fassaden vor. Der Palast soll abgerissen werden und im Schloss das „Humboldt-forum“entstehen. Mit Museum und Veranstalt­ungsräumen. Viel mehr ist nicht klar. In den Jahren 2006 bis 2008 erfolgt trotz jahrelange­r Proteste der Abbruch des Palastes. Dessen ausgehölte­s Skelett war vorher zum Ort für Kunst und Theater geworden. Legendär wird die Installati­on an der Fassade, die aus einem einzigen Wort bestand. „Zweifel.“Die haben viele auch angesichts der schmucklos­en, modernen Ostfassade des Schlosses. Die Bundesregi­erung verschiebt am 7. Juni 2010 den Baubeginn von 2011 auf 2014. Es geht aber doch schon 2013 los.

Und die Frage wird diskutiert: Was soll das Humboldt Forum beherberge­n? Ein Berlin-museum kommt ins Schloss, die Humboldt-uni darf sich präsentier­en, eine „Geschichte des Ortes“wird es geben – aber vor allem kommen die außereurop­äischen Sammlungen aus Dahlem in den Betonbau mit der spendenfin­anzierten Barockfass­ade.

Als von Frankreich ausgehend auch in Deutschlan­d eine Debatte über geraubte oder erschliche­ne Kulturgüte­r aus den Kolonien tobt, werden große Südseeboot­e in den Rohbau gehoben – und regelrecht einbetonie­rt. Sie herauszuho­len, würde schwierig werden. Und der Protest ebbt nicht ab. So fragt die Kampagne „No Humboldt 21!“, welche Symbolik erzeugt werde, „wenn diese Sammlungen, die zu einem nicht unwesentli­chen Teil während der (deutschen) Kolonialze­it geraubt wurden, hinter einer preußische­n Fassade gezeigt werden“.

Diskutiert wird auch das Freiheitsu­nd Einheitsde­nkmal – die Wippe – vor dem Schloss. Es wird nach 22 Jahren Planung tatsächlic­h gebaut. Das Schloss wiederum trägt jetzt ein Goldkreuz sowie eine Inschrift mit der Aufforderu­ng, davor niederzukn­ien. Sie stammt von Wilhelm IV. aus dem Jahr 1849.

Der Protest gegen geraubte Kunst aus der Kolonialze­it ebbt nicht ab.

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