Fabio Andina: Tage mit Felice (Folge 58)
Die Kühe, die hier bis vor rund zwanzig Jahren lebten, brauchten keine. Ein eisernes Feldbett, ein Armeeschlafsack und ein Campingkocher auf einem kleinen Holztisch und zwei wackelige Stühle. Der Boden aus Stein und gestampfter Erde.
Ein ohrenbetäubender Lärm donnert von oben herab wie ein Hagelsturm und fegt über mich hinweg, als ich die Holztreppe hinauf und durch die Luke steige, durch die einst das Heu hinuntergeworfen wurde. Ich sehe ihn über das Schlagzeug gebeugt, in seinen immer zu kurzen schwarzen Klamotten, Lärmschutzkopfhörer auf den Ohren, denn sonst werd ich noch taub wie ’ne Glocke, hat er mal zu mir gesagt. Er pustet Atemwölkchen aus und zieht ein Gesicht, wie wenn der Zahnarzt bohrt und sagt, schön weit aufmachen, so sehr strengt es ihn an, seine langen, knochigen Gliedmaßen aufeinander abgestimmt zu bewegen. Auf dem Boden neben ihm eine leere Weinflasche.
Ciao, Kaminfeger, was spielst du?, schreie ich.
Floro hält schwarze Karbonschlegel in seinen von Halbhandschuhen aus Leder bedeckten Händen und sitzt auf einem Drehhocker hinter einem Schlagzeug, bei dem ich mich immer frage, woher er das Geld genommen hat. Rote Double Bass Drum von Pearl, die er mit beiden Füßen spielt, um einen volleren Klang zu erhalten, wie er mir mal erklärte, als er versucht hat, mir Schlagzeugspielen beizubringen. Vier Tom Toms und Pauke von Mapex, die
Tama-snaredrum der Garde von Leontica und vier Becken und eine Hi Hat von Zildjian. Er macht einen Mordskrach, vielleicht, um sich aufzuwärmen.
Auf dem Korbsofa liegt Rasta, zusammengerollt und an ein Kissen gekuschelt. Ich setze mich und lasse mich von dem drängenden Rhythmus mitreißen. Der ehemalige Heuboden ist von Sonnenlicht durchflutet, das durch die großen, mit Plastikfolie und Klebeband gegen die Zugluft verschlossenen Löcher hereinfällt. Der Kater setzt sich auf meinen Schoß, um sich streicheln zu lassen. Ich lasse den Blick schweifen. Trommeln und Tamburine und Bongos jeder Art. Gitarren und dergleichen in jeder Größe.
Zwei Angelruten in einem Schirmständer aus Messing. An die Wand gelehnt eine elektrische Bassgitarre, die er gar nicht spielen kann, weil er keinen Strom hat. Der alte Sitz vom Sessellift an einen Dachbalken gehängt. Plastikflöten und Panflöten. Schellen, Maracas und Kastagnetten. Ein Akkordeon und eine Geige ohne Saiten und eine zerdellte, rot lackierte Zugposaune. Abgetretene, staubige Teppiche in allen Farben und Größen auf den Bodendielen, die unter den Gummisohlen meiner Schuhe vibrieren. Kerzen auf Weinflaschen. Mit Reißzwecken an den Balken angebrachte Poster, Grateful Dead, Led Zeppelin, Bob Marley. Und eine rote Che-guevara-fahne.
Floro stampft und schnauft wie eine Dampflok, weitab von den
Rhythmen des Psychedelic Rock und des Reggae. Ich sollte ihm ein Metallica-poster schenken… Einen Augenblick lang denke ich mir sein Schlagzeug weg, und plötzlich erinnern Floros Mimik und seine Bewegungen an einen Schiffbrüchigen, der um sich schlägt, um nicht unterzugehen.
Er legt die Schlegel auf der Pauke ab und schöpft Atem. Dann greift er zu seinem Tabakpäckchen. Keine Ahnung, was ich da spiele, ich spiele und basta, antwortet er, wobei seine Augen, zwei Spiegeleier, auf seine langen Finger gerichtet sind, die eine Zigarette drehen.
Ich komme zurück ins Dorf, als es gerade elf läutet. Die beiden Alten sind immer noch dabei, Holz zu machen.
Fleißig, fleißig, sage ich. Sie verziehen keine Miene. Da lade ich sie zu mir zum Mittagessen ein. Jetzt haben sie mich gehört. Ruckzuck räumen wir das gehackte Holz weg und stapeln es in ordentlichen Reihen auf, um das Auge zu erfreuen, wie Felice sagt. Dann gehen sie kurz zum Waschhaus, ziehen ihre Hemden aus und waschen sich das Gesicht, die Arme und die weiß behaarten Achselhöhlen.
Sie reden nicht, als sie hingefläzt in den Sesseln sitzen und die Füße fast ins Feuer halten. Sie lassen die Arme auf den Lehnen ruhen und hören Radio. In den Nachrichten bringen sie den üblichen Mist, brummt Felice. Emilio pflichtet ihm bei und meint, ist derselbe Mist, den ich schon heute Morgen gehört habe.
Fortsetzung folgt