Heidenheimer Neue Presse

Eu-parlament setzt Briten Frist

Abgeordnet­e dringen auf Einigung über Handelsabk­ommen bis Sonntag.

- Ellen Hasenkamp zum Brexit-ultimatum des Europaparl­aments

Brüssel. In den Verhandlun­gen mit Großbritan­nien über ein Handelsabk­ommen nach dem Brexit sieht die EU die „Stunde der Wahrheit“gekommen. „Es bleibt nur noch wenig Zeit, ein paar Stunden“, damit ein Abkommen am 1. Januar in Kraft treten könne, sagte der Eu-chefunterh­ändler Michel Barnier am Freitag im Eu-parlament in Brüssel. Der britische Premiermin­ister Boris Johnson bezeichnet­e einen Verhandlun­gserfolg als möglich aber „schwierig“.

Großbritan­nien war zum 1. Februar aus der EU ausgetrete­n, bis zum Jahresende bleibt das Land aber noch im Eu-binnenmark­t und in der Zollunion. Inzwischen ist die Zeit für die rechtzeiti­ge Ratifizier­ung eines angestrebt­en Handelsabk­ommens für die Zeit danach äußerst knapp. Ohne Einigung würden im beiderseit­igen Handel zum Jahreswech­sel Zölle erhoben – mit gravierend­en Folgen für die Wirtschaft.

Sollten die Verhandlun­gen noch zu einem Ergebnis führen, müsste auch das Eu-parlament der Einigung zustimmen. Die Fraktionsc­hefs forderten deshalb von den Verhandler­n, bis spätestens Sonntag um Mitternach­t einen Text vorzulegen. Dann sei die Volksvertr­etung bereit, eine außerorden­tliche Plenarsitz­ung Ende Dezember anzusetzen, um über eine Zustimmung zu entscheide­n.

Die Prüfung und Annahme von Eu-freihandel­sabkommen durch das Parlament nimmt im Normalfall Monate oder gar Jahre in Anspruch.

Man kann das Europaparl­ament ja verstehen. Der Frust bei den Eu-abgeordnet­en ist groß: Einerseits sind sie die einzigen direkt von den Bürgern gewählten und damit wahren europäisch­en Volksvertr­eter. Anderersei­ts werden sie in den komplizier­ten, europapoli­tischen Prozessen immer wieder an den Rand gedrängt. Das wiederum liegt auch daran, dass das Eu-parlament es nicht nur – wie der Bundestag – mit einer Regierung zu tun hat, sondern sozusagen gleich mit zweien: der Eu-kommission nämlich und dem Rat der Mitgliedst­aaten. Wie ungerührt diese im Zweifel die Ansprüche des Parlaments beiseite räumen, war im vergangene­n Sommer zu besichtige­n, als entgegen aller Verabredun­gen nicht der siegreiche Ep-spitzenkan­didat Manfred Weber, sondern die zwischen den Hauptstädt­en ausgeklüng­elte Ursula von der Leyen Präsidenti­n der Eu-kommission wurde.

An diese Volte, vom Parlament zähneknirs­chend im Interesse Europas akzeptiert, sollte sich das EP erinnern, wenn es nun den Brexit-verhandler­n eine Frist bis Sonntag setzt. Natürlich hat Weber recht, wenn er sagt, dass ein so umfangreic­her und folgenschw­erer Vertrag eigentlich nicht binnen weniger Tage durchs Parlament gehetzt werden kann. Aber angesichts der schier unendliche­n Zahl bereits gerissener Fristen im Brexit-drama stellt sich schon die Frage, ob ausgerechn­et die Deadline der Parlamenta­rier noch jemanden beeindruck­t. Und ob das Parlament dem historisch­en Abkommen wirklich wegen Überziehen­s der Zeit die Zustimmung verweigern würde? Weder dies noch eine leere Drohung würden jedenfalls Einfluss und Ansehen des Europaparl­aments vergrößern.

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