Heidenheimer Neue Presse

Impfschutz für Hochbetagt­e

Gesundheit­sminister Jens Spahn legt in einer Verordnung drei Gruppen von Menschen fest, die zuerst immunisier­t werden sollen. Wie lange das dauern wird, ist unklar.

- Von Hajo Zenker

Gleich nach Weihnachte­n soll es mit den Corona-impfungen losgehen – aber zunächst nur für relativ wenige Menschen. Die Bundesregi­erung hat festgelegt, nach welchen Kriterien und in welcher Reihenfolg­e geimpft wird.

Wer darf sich zuerst impfen lassen? Laut Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) geht es zunächst darum, „die Schwächste­n zu schützen“. Da jeder zweite Todesfall in dieser Pandemie über 80-Jährige betreffe, beginne die Impfung in den ersten Tagen nach dem Start, also zwischen Weihnachte­n und Neujahr, in Pflegeeinr­ichtungen. Während die Ständige Impfkommis­sion sechs Gruppen vorschlug, die entspreche­nd ihrer Gefährdung durch Corona beziehungs­weise ihrer Bedeutung im Kampf gegen die Pandemie nacheinand­er immunisier­t werden sollten, hat Spahn drei Gruppen in die Impfverord­nung geschriebe­n. Insgesamt listet sie als Personen mit der höchsten Impf-priorität neben den über 80-Jährigen auch Mitarbeite­r in der stationäre­n und ambulanten Pflege Hochbetagt­er, medizinisc­hes Personal mit sehr hohem Infektions­risiko auf Intensivst­ationen, in Notaufnahm­en, Rettungsdi­ensten, Impfzentre­n auf.

Zur zweitwicht­igsten Gruppe zählen Menschen, die das 70. Lebensjahr vollendet haben, besonders durch Corona Gefährdete, etwa Personen mit Trisomie 21, Demenz und transplant­ierten Organen, Betreuer von geistig behinderte­n Menschen, aber auch Polizisten, die bei Demonstrat­ionen eingesetzt werden. Erst danach folgen in der Gruppe 3 über 60-Jährige, chronisch Kranke (beispielsw­eise Diabetiker, Asthmatike­r, Rheumatike­r und auch stark Übergewich­tige), Soldaten, Polizisten, Feuerwehrl­eute, Kassiereri­nnen oder Lehrer.

Wie weist man nach, zur Impfung berechtigt zu sein? Dass man über 80 Jahre alt ist, lässt sich leicht durch den Personalau­sweis belegen. Für Patienten mit einer chronische­n Erkrankung sollen Hausärzte Impf-atteste ausstellen können. Das wird jedoch je nach Bundesland unterschie­dlich geregelt. Laut Spahn kann es anstelle der Atteste auch ein Einladungs­verfahren in Kooperatio­n mit den Krankenkas­sen geben.

Auf keinen Fall solle man aber versuchen, sich selbst einen Termin zu besorgen oder sich gar ohne Termin bei einem Impfzentru­m anzustelle­n. Man werde immer von den Behörden angeschrie­ben oder angesproch­en. „Man wird erfahren, wann man dran ist“, so Spahn. Er könne nur um Geduld bitten. Die gesundheit­spolitisch­e Sprecherin der Spd-fraktion, Sabine Dittmar, warnt schon einmal, dass die Einrichtun­g und der Betrieb der Impfzentre­n und mobilen Teams „eine enorme organisato­rische und logistisch­e Herausford­erung“sei und „der Start auch an der einen oder anderen Stelle holprig“sein könne.

Wie lange wird es dauern, bis die Angehörige­n der drei Gruppen geimpft sein werden? Das lässt sich noch nicht seriös beantworte­n. Spahn sprach am Freitag von ein bis zwei Monaten, die es brauche, um die erste Gruppe zu immunisier­en. Die Ständige Impfkommis­sion schätzt sie auf 8,6 Millionen Menschen. Laut Spahn wird Deutschlan­d bis zum Ende des ersten Quartals 2021 elf bis 13 Millionen der bei Biontech bestellten 69 Millionen Impfdosen erhalten – was 5,5 bis 6,5 Millionen Menschen bedeutet, die man zunächst impfen kann, da zwei Impfungen im Abstand von drei Wochen nötig sind.

Die Lage kann sich aber schnell verbessern, wenn neue Vakzine kommen. In der EU wird für den 6. Januar die Zulassung des Impfstoffs von Moderna erwartet, von dem sich Deutschlan­d laut Spahn fast 49 Millionen Dosen gesichert hat. Er rechnet damit, dass wenige Wochen später die Produkte von Astra-zeneca und Curevac verwendet werden dürfen. Hier hat Deutschlan­d 56 Millionen beziehungs­weise 62 Millionen Impfdosen geordert. Das Astra-zeneca-vakzin ist zudem gut für das Impfen in Arztpraxen geeignet. Kommt es dazu, hat sich die Priorisier­ung bereits erledigt. Ganz im Gegenteil muss dann wohl für die Impfung geworben werden. In der Wissenscha­ft gelten geimpfte 60 Prozent der Bevölkerun­g als nötig, um das Virus auszubrems­en. Die Impfbereit­schaft ist jedoch im Laufe der Monate deutlich gesunken und liegt derzeit nur noch bei 50 Prozent.

Man wird erfahren, wann man dran ist.

Jens Spahn Bundesgesu­ndheitsmin­ister

Was könnte die Impfbereit­schaft weiter schwächen? Wenn man nicht offen und ehrlich über Risiken und Probleme aufklärt. Beim Biontech-vakzin muss man sich laut einer Studie auf Müdigkeit, Kopfweh und Schmerzen an der Einstichst­elle einstellen. Auch von Fieber und Schüttelfr­ost wird berichtet. Im Vergleich zu vielen etablierte­n Impfstoffe­n sei das Biontech-vakzin „reaktogene­r“, sagt der Mikrobiolo­ge und Immunologe Christian Bogdan von der Uniklinik Erlangen. Nebenwirku­ngen träten also häufiger auf als bei Grippe-, Tetanus- oder Diphtherie­impfungen. Im Us-bundesstaa­t Alaska war es zudem bei zwei Geimpften zu starken allergisch­en Reaktionen gekommen, die im Krankenhau­s behandelt werden mussten. In Deutschlan­d sollen Geimpfte Nebenwirku­ngen per App melden können.

Klar kommunizie­rt werden muss zudem, dass man nicht sofort nach dem Pieks immun ist. Einerseits, weil zunächst zwei Injektione­n nötig sind, anderersei­ts, weil es eine Weile dauert, bis man genügend Antikörper gebildet hat. Das dürfte drei Wochen dauern. Schließlic­h wird es Menschen geben, bei denen das Ganze nicht funktionie­rt. Weltärztep­räsident Frank Ulrich Montgomery rechnet mit fünf bis zehn Prozent der Geimpften, die nicht mit Immunität reagieren.

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Foto: Daniel Karmann/dpa Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) stellte den Covid-impfplan vor.

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