Schwere Belastung
Papst Franziskus wird es nicht richten. Möglicherweise wird das Oberhaupt der katholischen Kirche im Frühjahr kundtun, dass der Vorwurf der Vertuschung sexualisierter Gewalt im Erzbistum Köln nicht in aller Eindeutigkeit nachzuweisen ist, dass es Ermessensspielräume gegeben habe. Doch wäre damit der Frieden in der katholischen Kirche in Deutschland wieder hergestellt? Könnte dann der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki seine Amtsgeschäfte weiter führen wie bisher? Das ist kaum vorstellbar.
Der Kardinal und seine Berater aus dem reaktionären Opus Dei haben der Kirche schweren Schaden zugefügt. Dies geschah zuerst mit einem zurückgehaltenen Gutachten zur Missbrauchsaufarbeitung in der Erzdiözese, dann mit dem Fall des Priesters O., mit dem der Kardinal befreundet war und dessen sexuelle Gewaltverbrechen Woelki unter den Teppich gekehrt haben soll. Das taten offenbar auch sein Vorgänger Kardinal Meisner und die Generalvikare Dominikus Schwaderlapp und Stefan Heße.
Man fragt sich schon, wie Woelki an Weihnachten vor die Gläubigen treten will, um vom schutzlosen Kind in der Krippe zu Bethlehem zu predigen. Wer will ihn noch hören? Wer will ihm noch glauben? Und wer will noch akzeptieren, dass die Kirche Aufklärung verspricht, Bischöfe dann aber persönliche Beziehungen vor eine Meldepflicht stellen? Der Fall des Priesters O. ist möglicherweise ein Einzelfall. Andere Priester-täter haben die Kölner Verantwortlichen durchaus nach Rom gemeldet. Doch dieser Einzelfall erschüttert die Glaubwürdigkeit im Gesamten.
Die Kirche wird 20 Jahre nachdem in Berlin der Jesuitenpater Klaus Mertes sexuelle Vergehen von Priestern im Canisius-kolleg ans Licht gezerrt hat, von ihrer dunklen Vergangenheit eingeholt. In den Hintergrund gerät damit leider, was seither an Gutem geleistet worden ist: Bei der Prävention ist die katholische Kirche mit großen Schritten vorangegangen. In der Entschädigungsfrage hat sie einen Rahmen erarbeitet, der auch für andere Kirchen und Vereine, in denen Verbrechen an Kindern geschahen, richtungsweisend ist. Die Aufklärung wurde durch die selbst veranlasste große Missbrauchs-studie dreier Universitäten vorangetrieben. Systemische Ursachen, die auch in einem überhöhten Priesterbild liegen, werden offen besprochen. Und mit dem
Es geht nicht mehr nur um einzelne Verfehlungen. Es geht um eine Katastrophe des Vertrauens.
Münchner Kardinal Reinhard Marx hat ein Kirchenmann mit seinem Privatvermögen persönliche Verantwortung übernommen, ohne dass er sich etwas hat zuschulden kommen lassen. All das stellt Köln in den Schatten. Und daraus ermisst sich der Schaden.
Es geht nicht mehr um einzelne Verfehlungen, die der Strafrechtler Björn Gercke möglicherweise in einem neuen Gutachten benennen wird. Es geht um eine Vertrauenskatastrophe, die ein Aussitzen nicht erlaubt. Wenn der Kardinal nicht in der Lage ist von seinem Amt zurückzutreten, so sollte er es zumindest ruhen lassen, bis im Frühjahr das neue Gutachten Fakten benennt. Woelkis Flucht nach Rom zeigt nur, dass man in Köln die Bedeutung einer politisch-moralischen Verantwortung nicht kennt.