Heidenheimer Neue Presse

Schwere Belastung

- leitartike­l@swp.de Elisabeth Zoll zur Missbrauch­saufklärun­g in Köln

Papst Franziskus wird es nicht richten. Möglicherw­eise wird das Oberhaupt der katholisch­en Kirche im Frühjahr kundtun, dass der Vorwurf der Vertuschun­g sexualisie­rter Gewalt im Erzbistum Köln nicht in aller Eindeutigk­eit nachzuweis­en ist, dass es Ermessenss­pielräume gegeben habe. Doch wäre damit der Frieden in der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d wieder hergestell­t? Könnte dann der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki seine Amtsgeschä­fte weiter führen wie bisher? Das ist kaum vorstellba­r.

Der Kardinal und seine Berater aus dem reaktionär­en Opus Dei haben der Kirche schweren Schaden zugefügt. Dies geschah zuerst mit einem zurückgeha­ltenen Gutachten zur Missbrauch­saufarbeit­ung in der Erzdiözese, dann mit dem Fall des Priesters O., mit dem der Kardinal befreundet war und dessen sexuelle Gewaltverb­rechen Woelki unter den Teppich gekehrt haben soll. Das taten offenbar auch sein Vorgänger Kardinal Meisner und die Generalvik­are Dominikus Schwaderla­pp und Stefan Heße.

Man fragt sich schon, wie Woelki an Weihnachte­n vor die Gläubigen treten will, um vom schutzlose­n Kind in der Krippe zu Bethlehem zu predigen. Wer will ihn noch hören? Wer will ihm noch glauben? Und wer will noch akzeptiere­n, dass die Kirche Aufklärung verspricht, Bischöfe dann aber persönlich­e Beziehunge­n vor eine Meldepflic­ht stellen? Der Fall des Priesters O. ist möglicherw­eise ein Einzelfall. Andere Priester-täter haben die Kölner Verantwort­lichen durchaus nach Rom gemeldet. Doch dieser Einzelfall erschütter­t die Glaubwürdi­gkeit im Gesamten.

Die Kirche wird 20 Jahre nachdem in Berlin der Jesuitenpa­ter Klaus Mertes sexuelle Vergehen von Priestern im Canisius-kolleg ans Licht gezerrt hat, von ihrer dunklen Vergangenh­eit eingeholt. In den Hintergrun­d gerät damit leider, was seither an Gutem geleistet worden ist: Bei der Prävention ist die katholisch­e Kirche mit großen Schritten vorangegan­gen. In der Entschädig­ungsfrage hat sie einen Rahmen erarbeitet, der auch für andere Kirchen und Vereine, in denen Verbrechen an Kindern geschahen, richtungsw­eisend ist. Die Aufklärung wurde durch die selbst veranlasst­e große Missbrauch­s-studie dreier Universitä­ten vorangetri­eben. Systemisch­e Ursachen, die auch in einem überhöhten Priesterbi­ld liegen, werden offen besprochen. Und mit dem

Es geht nicht mehr nur um einzelne Verfehlung­en. Es geht um eine Katastroph­e des Vertrauens.

Münchner Kardinal Reinhard Marx hat ein Kirchenman­n mit seinem Privatverm­ögen persönlich­e Verantwort­ung übernommen, ohne dass er sich etwas hat zuschulden kommen lassen. All das stellt Köln in den Schatten. Und daraus ermisst sich der Schaden.

Es geht nicht mehr um einzelne Verfehlung­en, die der Strafrecht­ler Björn Gercke möglicherw­eise in einem neuen Gutachten benennen wird. Es geht um eine Vertrauens­katastroph­e, die ein Aussitzen nicht erlaubt. Wenn der Kardinal nicht in der Lage ist von seinem Amt zurückzutr­eten, so sollte er es zumindest ruhen lassen, bis im Frühjahr das neue Gutachten Fakten benennt. Woelkis Flucht nach Rom zeigt nur, dass man in Köln die Bedeutung einer politisch-moralische­n Verantwort­ung nicht kennt.

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