Ein Armutszeugnis
Nach neun Monaten Corona-pandemie liegen die Nerven bei vielen Menschen blank. Angesichts weiterhin steigender Infektionszahlen stellen zwar nur wenige die Notwendigkeit von Einschränkungen infrage, aber immer mehr haben die Nase voll von den politischen Schnellschüssen von Bund und Ländern.
Nehmen wir das Beispiel Schulen. Schon seit einigen Wochen deutete sich hier bereits ein pandemiebedingtes Ende des Präsenzunterrichts an. Einige Bundesländer, wie beispielsweise Sachsen, haben darauf transparent reagiert, in dem sie mit einer Woche Vorlauf eine Umstellung auf das sogenannte Homeschooling angekündigt haben. In Baden-württemberg läuft so etwas aber anders.
Hier setzt man eher auf die Überraschung der Eltern. Und die ist dem Kultusministerium am vergangenen Sonntag wirklich gelungen, als es nicht etwa wie erwartet die Fortsetzung des Schuljahres, wie in anderen Bundesländern, per Fern- oder Wechselunterricht verkündete. Nein, stattdessen entschied man sich in Stuttgart die Weihnachtsferien für einen Großteil der Schüler einfach eine Woche früher beginnen zu lassen.
Sensationell, war wohl der Gedanken vieler Eltern am Sonntagabend. Wie schön, dass da in Stuttgart jemand an uns gedacht hat, jetzt haben wir doch tatsächlich zwei Tage Zeit eine wie auch immer geartete Betreuung für unsere Kinder zu suchen. Gut – Erfahrungen mit verlängerten Ferien konnte man in diesem Jahr schon machen. Aber bei aller Liebe zur neu entdeckten Spontanität in der Politik und jetzt mal ganz ohne Ironie – hätte man sich wirklich nicht ein paar Wochen früher auf einen gemeinsamen Termin einigen können?
Nur mal zur Erinnerung, innerhalb von vier Wochen wurde dreimal ein „verbindlicher“Termin für den Ferienbeginn festgelegt. So einigten sich beispielsweise nach langem Hickhack die Schulen im Kreis Heidenheim Anfang Dezember darauf, die Kinder ab dem
23. Dezember in die Weihnachtsferien zu schicken. Das war allerdings schon der zweite wirklich „verbindliche“Termin. Zur Begründung hieß es damals
Thomas Zeller dieses späte Datum solle die Jahresurlaubsplanung der Familien unterstützen. Unklar ist weiterhin, was die jüngste Entscheidung vom Wochenende nun für die Oster- oder Faschingsferien bedeutet. Werden die jetzt verkürzt, um verlorenen Unterrichtsstoff wieder aufzuholen?
Und wenn wir schon bei den Perspektiven sind. Es ist vollkommen offen, ob und wie der Unterricht im nächsten Jahr wieder startet. Einige Schulen im Landkreis empfehlen als Reaktion darauf einfach den Besuch ihrer Websites. Mit etwas Glück kann man dort in der letzten Urlaubswoche Informationen finden, ob erneut Ferien verlängert oder die Schule am 11. Januar per Fern- oder Wechselunterricht fortgesetzt wird. Vielleicht kann sich das Kultusministerium einfach mal bei einigen angrenzenden Bundesländern umhören. Dort gibt es ganz konkrete Pläne für den Schulstart im neuen Jahr. Aber wer benötigt schon Planungssicherheit. Wohl dem, der da einen verständnisvollen Arbeitgeber hat.
Und ich wage eine weitere Vorhersage. Wenn die Schulen in den nächsten Wochen zum Fernunterricht zurückkehren, wird sich erneut zeigen, dass die Vorbereitungen unzureichend sein werden. Genau das räumte nämlich Werner Weber in seiner Funktion als geschäftsführender Schulleiter der Heidenheimer Grund-, Haupt-, Werkreal- und Realschulen Anfang des Monats ein. Die technische Ausstattung an den meisten Schulen sei trotz Digitalpakt und Tablet-verteilung dafür schlicht nicht ausreichend. Wieder einmal zeigt sich damit, dass Familien aus dem Blick der Politik geraten sind. Das Kultusministerium hatte neun lange Pandemie-monate Zeit sich besser vorzubereiten und es sei hier durchaus eingeräumt, dass sich nicht alles schnell ändern lässt. Aber das aktuelle Chaos im Schulbereich ist leider ein Armutszeugnis, das man der Landes- und Bundespolitik ausstellen muss.