Elternpaar verteilt Flugblatt an Schule
Corona
Als Mitte Oktober wegen steigender Corona-fälle die Maskenpflicht für Schüler ab Klasse 5 eingeführt wurde, fanden das nicht alle Eltern toll. Manche waren sogar davon überzeugt, dass ihren Kindern dadurch Schaden zugefügt wird, und verbreiteten deshalb Flyer mit Argumenten gegen das Tragen der Masken. Auch an der Heidenheimer Waldorfschule wurde ein solches Flugblatt verteilt. Dies sei direkt im Anschluss an eine Schulveranstaltung geschehen, berichtet Guntram Holzwarth, Geschäftsführer der Schule. „Wir konnten das direkt unterbinden“, sagt er.
Die Initiatoren seien ein „besorgtes Elternpaar der Schule“gewesen, so Holzwarth. Ob die Personen eine bestimmte Funktion an der Schule eingenommen haben, will er aus Gründen des Datenschutzes nicht sagen. „Wir konnten aber gute Gespräche mit allen Beteiligten führen“, versichert der Geschäftsführer der Waldorfschule. In einer Rundmail an alle Eltern habe sich die Geschäftsführung der Schule von der Verteilung des Flyers und dessen Inhalten distanziert. „Wir sind sehr froh und dankbar, dass wir durch die klare Umsetzung der Verordnungen unseren Schülerinnen und Schülern seit Beginn des neuen Schuljahres einen durchgängigen Präsenzunterricht ermöglichen konnten“, so Guntram Holzwarth.
Wie eine Datenerhebung des Recherchezentrums Correctiv ergab, war das Flugblatt in Heidenheim keine Einzelinitiative: Flyer mit Desinformationen zu Covid-19 werden in allen Bundesländern und Regionen Deutschlands verteilt, koordiniert werden die Aktionen über den Messengerdienst Telegram. Es stehen vor allem zwei Organisationen hinter der Kampagne: „Eltern stehen auf“und die sogenannten „Freiheitsboten“. Am Ende des in Heidenheim verteilten Flugblatts wurde explizit auf die Webseite von „Eltern stehen auf“verwiesen.
Im Flyer wird die Behauptung aufgestellt, dass das Tragen von Mund-nase-masken nicht vor Covid-19 schütze. Dafür gebe es keine wissenschaftlichen Belege. Dieses Argument war schon Mitte Oktober falsch, mittlerweile liegen sogar noch weitere Studien zum Effekt des Maske-tragens vor. Darüber hinaus besagt das Flugblatt, dass beim Tragen von Masken Kohlendioxid eingeatmet werde und dies zu Organschäden beispielsweise des Gehirns führe. Auch dies ist nachweislich falsch. Außerdem wird auf den Inzidenzwert im Landkreis Heidenheim hingewiesen, der am 17. Oktober noch bei 17,3 lag. Daraus leiteten die Flugblatt-verfasser ab, dass es keinen Grund gebe, die Verordnung umzusetzen. Tatsächlich stieg die 7-Tage-inzidenz damals innerhalb einer Woche steil an, am 24. Oktober lag sie schon bei 108 Ansteckungen pro 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen.
Eine Straftat stellt das Verteilen der Flyer nicht dar, auch falsche Informationen werden vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Jedoch ist die Verteilung solcher Flugblätter an Schulen untersagt. „Der Erziehungs- und Bildungsauftrag verbietet es, dass in den Schulen Werbung für wirtschaftliche, politische, weltanschauliche oder sonstige Interessen betrieben wird“, heißt es dazu aus dem Kultusministerium. „Wir beobachten solche Aktionen und vor allem Falschbehauptungen mit großer Sorge, wobei es den Menschen natürlich freisteht, die Corona-verordnung der Landesregierung und die Maßnahmen der Politik zu kritisieren“, sagt eine Sprecherin des Regierungspräsidiums
in Stuttgart dazu. Das Innenministerium des Landes Nordrhein-westfalen geht jedoch einen Schritt weiter: Dort sieht man in den Verteil-aktionen die Gefahr, „dass durch gezielte Desinformation die Verunsicherung in der Bevölkerung durch die Corona-pandemie geschürt wird“. Vor allem Rechtsextremisten könnten diese Verunsicherung nutzen, „um staatliche Entscheidungen in Frage zu stellen“.
Guntram Holzwarth bestreitet, dass die anthroposophische Weltanschauung besonders oft Kritiker von Corona-schutzmaßnahmen oder Impfgegner hervorbringe. „Wir haben an unserer Schule ein Abbild aller Meinungen, die es in der Gesellschaft gibt“, sagt er. Es sei vollkommen klar, dass man sich an alle gesetzlichen Vorgaben halte. „Vielleicht spricht man sich hier offener über seine Positionen aus“, meint Holzwarth. Trotzdem gelinge es, die soziale Balance zu halten, obwohl es so viele verschiedene Positionen zu dem Thema gebe.