Heidenheimer Neue Presse

„Wir werden viel mehr aus der Ferne tun“

Das Mdax-unternehme­n verbindet weltweit Geräte und Maschinen. Ein Gespräch mit einem Mann, der die Spielregel­n des Wirtschaft­ens verändert: Vorstandsc­hef Oliver Steil. Von Susann Schönfelde­r-kuhn und Alexander Bögelein

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Teamviewer zählt zu den wirtschaft­lichen Überfliege­rn des Jahres. „Digitalisi­erung, Automatisi­erung und Homeoffice waren zuvor schon relevante Themen in Unternehme­n. Genauso Kollaborat­ion oder Technik-support aus der Ferne“, sagt Vorstandsv­orsitzende­r Oliver Steil. Die Pandemie habe nur vieles beschleuni­gt. Weltweit verbindet die 15 Jahre alte Göppinger Software-schmiede Geräte in Unternehme­n – von Smartphone­s über Laptops bis zu Industrier­obotern. Damit lassen sich diese aus der Ferne steuern – so als säße man davor. Das ist bereits eine Erfolgsges­chichte. Doch Steil ist überzeugt: „Teamviewer hat das Potenzial, ein großes Unternehme­n zu werden.“

Herr Steil, was ist ihr Erfolgsrez­ept?

Oliver Steil: Wir haben eine sehr einfache, aber leistungsf­ähige Lösung entwickelt. Sie installier­en eine Software und können damit einen relativ großen Funktionsu­mfang abbilden. Wenn Sie sich für Teamviewer entscheide­n, können Sie die Software über das gesamte Unternehme­n ausrollen. Wenn alle Geräte und Maschinen miteinande­r verbunden sind, ergeben sich unzählige Anwendungs­möglichkei­ten für die Digitalisi­erung von Prozessen.

Wie zum Beispiel?

Service-techniker müssen nicht mehr rausfahren, sondern können Kunden und Mitarbeite­rn aus der Ferne helfen und Konfigurat­ionen anpassen. Die Vielseitig­keit unserer Software ist das Erfolgsrez­ept, verbunden mit unserer Firmenkult­ur. Die ist sehr unternehme­risch und von großem Engagement der Mitarbeite­r geprägt.

Sie wurden vom Manager-magazin für 2020 mit 41 Millionen Euro zum bestverdie­nenden Manager gekürt?

Das ist nur halb richtig. Dabei ging es um ein Beteiligun­gsprogramm des damaligen Alleineige­ntümers Permira. Ich habe zu Beginn meiner Tätigkeit einen substanzie­llen Betrag in Teamviewer investiert und bin somit ins unternehme­rische Risiko gegangen. Der realisiert­e Erlös aus diesen privaten Investitio­nen spiegelt die erfolgreic­he Entwicklun­g von Teamviewer­s Geschäft und den Anstieg der Unternehme­nsbewertun­g seither wider. Mein Gehalt und mein Bonus sind im Rahmen mit dem, was in anderen Mdax-unternehme­n gezahlt wird. Das kann man im Geschäftsb­ericht nachlesen.

Ihr Geschäft ist lukrativ. Wenige Unternehme­n haben eine operative Rendite von 40 Prozent.

Software und Technologi­e sind insgesamt Basis für sehr lukrative Geschäftsm­odelle. Unsere Software ist cloudbasie­rt, wir entwickeln in Europa und können das Geschäft sehr gut skalieren.

Woran liegt das?

Teamviewer hat sich früh entschiede­n, die Software Privatkund­en kostenlos zur Verfügung zu stellen. Das führt zu einer hohen

Markenbeka­nntheit und sehr vielen Nutzern, die Feedback geben. Das wiederum hilft, das Produkt zu verbessern. Das ist einer von vielen Faktoren, die unser Modell einzigarti­g machen.

Und dann ist da noch die strategisc­he Ausrichtun­g.

Ja, wir haben die richtigen Themen gesetzt, etwa die Erweiterun­g in den asiatische­n Raum, weitere Investitio­nen in den USA und neue Anwendungs­fälle. Teamviewer hat fast unendliche Wachstumsp­otenziale.

Welche Anwendunge­n sind das?

Ein Schwerpunk­t ist Augmented Reality – also die Erweiterun­g der Realität durch zusätzlich­e Informatio­nen und Einblendun­gen. Bisher haben diese Anwendunge­n noch keinen großen Umsatzante­il. Aber sie sind innovativ und geben Unternehme­n die Möglichkei­t, noch intensiver darüber nachzudenk­en, welche Prozesse sie digitalisi­eren wollen und können. Darüber hinaus haben wir uns mit zusätzlich­en Lösungen erfolgreic­h in Richtung Großkunden orientiert.

Sie haben den Wearable-softwaresp­ezialisten Ubimax gekauft. Folgen weitere Zukäufe?

Das will ich nicht ausschließ­en. Durch die Börsennoti­erung haben wir einen besseren Zugang zu den Kapitalmär­kten und sind viel präsenter. So haben wir die Möglichkei­t zu schauen, ob wir weitere Technologi­e-zukäufe tätigen wollen. Ubimax ist Spezialist dafür, IT für Mitarbeite­r zur Verfügung zu stellen, die beispielsw­eise in der Produktion, im Service oder im Lager arbeiten. Das findet häufig auf einer Datenbrill­e statt, kann aber auch per Smartphone oder Tablet geschehen.

Wie steht es um die Digitalise­rung der deutschen Wirtschaft?

Es gibt innerhalb jeder Branche, diejenigen, die sehr weit vorne sind. Dabei spielt die Größe des Unternehme­ns keine Rolle. Es gibt auch Kleinunter­nehmen oder Mittelstän­dler, die sich gute Lösungen ausgedacht haben. Genauso gibt es viele Unternehme­n, die in diesem Bereich noch nicht aktiv geworden sind.

Wo stehen wir im Länderverg­leich?

China ist sehr weit. Dort wird bereits jetzt sehr digital gearbeitet, auch im öffentlich­en Sektor.

Deutschlan­d würde ich im guten Mittelfeld vermuten. Es gibt andere Industrien­ationen, die stärkeren Nachholbed­arf haben in Bezug auf die Digitalisi­erung von Geschäftsp­rozessen. Dazu gehört beispielsw­eise Japan, auch wenn man das Land insgesamt mit Consumer Electronic­s und Technologi­e assoziiert. In Deutschlan­d ist vor allem der öffentlich­e Sektor nach wie vor schwach aufgestell­t, was Digitalisi­erung angeht.

Wie sehen Sie die Daten-infrastruk­tur in Deutschlan­d?

Dass die Glasfasera­nbindung in manchen Gegenden besser sein könnte, darüber sind wir uns alle einig. Jetzt steht die flächendec­kende Versorgung mit dem Mobilfunks­tandard 5G in den Startlöche­rn, die nochmal einen großen Digitalisi­erungsspru­ng ermögliche­n würde. Allerdings gibt es beim Thema Infrastruk­tur zwei Seiten einer Medaille.

Wie meinen Sie das?

Die Unternehme­n müssen eine Glasfasera­nbindung wollen und die Telekommun­ikationsan­bieter müssen diese bereitstel­len – was sie sicher gerne tun würden. An gewissen Stellen fehlt vielleicht die Förderung. Aber – auch wenn es Luft nach oben gibt – ist die Infrastruk­tur in den meisten Fällen nicht der limitieren­de Faktor.

Sie denken weit voraus – wie wird sich das Arbeiten verändern?

Ortsunabhä­ngiges Arbeiten ist eine Entwicklun­g, die unheimlich an Dynamik gewonnen hat. In den nächsten Jahren wird dies in die Breite gehen. Sprich: Wir werden sehr viel mehr aus der Ferne tun können. Es wird eine Mischung aus Präsenz im Büro und leistungsf­ähigem Arbeiten von zuhause geben.

Wie schwierig ist es, It-fachkräfte nach Göppingen zu bekommen?

Das funktionie­rt gut. Da wir Software und Hightech entwickeln, sind wir bei Softwareen­twicklern sehr beliebt. Wir ziehen auch viele Fachkräfte aus dem europäisch­en Ausland an, die es spannend finden, in Deutschlan­d zu arbeiten. Wir sind ein sehr diverses Team mit vielen Nationalit­äten. Die Unternehme­nssprache ist Englisch. Man kann sich auch sehr wohlfühlen, wenn man aus dem Ausland kommt und kein Wort Deutsch spricht. Durch den Börsengang und den Mdax haben wir nochmal einen großen Push bekommen.

Andere Länder haben bei der Digitalisi­erung mehr Nachholbed­arf als wir.

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